»Habt Mut, stellt den Bürgermeister«

Wir in Reinickendorf • 10/2000

Hoffnung mit 90

Von Klaus Rathmann

Eine zugegeben visionäre Vorstellung. Wir haben gerade unser erstes PDS-Domizil in Tegel und starten hoffnungsvoll. Aber Frau Nachbarin ließ sich nicht abbringen. Christian turnte am Eröffnungstag noch auf der Leiter, als sie bei ihrem alltäglichen Morgenspaziergang mit Hund vorbei kam. Sich zunächst wunderte, dann genau nachfragte. PDS, Roter Laden, Gysi ...

Wenig später kam sie noch mal vorbei. Mit Blumen und guten Wünschen.

»Stellt den Bürgermeister. Wenn man sich nichts vornimmt, dann wird auch nichts! Warum steckt Ihr in der Schloßstraße, wo die Leute nur ihre Autos parken, geht mitten ins Tegel-Center ...« und kramte ein Foto aus ihrer Tasche. Ausgeschnitten aus einer Zeitung. München, 15. Juni 1951. Bei der Beerdigung des hingerichteten SS-Generals Ohlendorf, der die Ermordung von 90.000 Menschen zugab, hebt die Menge die Hand zum Hitlergruß. Nichts gelernt. Keine Reue. Das erschüttere sie noch heute. Deshalb sei es so wichtig, dass es ein linkes Gegengewicht gäbe.

Mit über 90 Jahren träte sie nun keiner Partei mehr bei. Aber sie freue sich, dass die PDS nun vor Ort ist.

»Vor allem den Herrn Gysi, den grüßen Sie mal schön von mir!«

Klaus Rathmann
ist Geschäftsführer im »Roten Laden«