Verdeckte Bewerbung

Wir in Reinickendorf • 07/2008

Dr. Wegner (CDU) setzt erste Duftnote

Die amtierende Bezirksbürgermeisterin Wanjura (CDU) wird mit 65, d.h. spätestens am 7. Januar 2010 abtreten. Ein(e) geeignete(r) Kandidat(in) war lange nicht in Sicht, der CDU fehlt es wohl an profiliertem, fähigem Nachwuchs.

Sein politisches Bewerbungsschreiben für die Nachfolge hat nun der ehemalige Baustadtrat Dr. Michael Wegner jüngst in „Info“, dem Rundbrief der CDU Reinickendorf abgegeben. Weitgehend unideologisch und wegner-untypisch ausgewogen setzt es sich mit der aktuellen Lage des Bezirks auseinander, ohne den Blick über den berühmten Tellerrand zu scheuen. Sachlich kritisch und aus christlich-konservativem Blickwinkel platziert er seine politisch ambitionierte Duftnote mit dem Titel „Inhaltlich fit bleiben“ auf der Titelseite.

Grund genug sich von links inhaltlich damit auseinander zusetzen, zeugt doch der Text an mindestens zwei Stellen, was die CDU unter der repräsentativen Demokratie und dem Auftrag der Parteien, an der politischen Meinungsbildung mitzuwirken, versteht. „Wir dürfen...uns nicht in endlosen Diskussionen um Kleinigkeiten verkämpfen, die den Wähler draußen ohnehin nicht interessieren.“ So ist das also - der Wähler ist draußen unddie CDU ist drinnen, um „Kreativität“, „Unkonventionalität“, „Gestaltungsmut“, „Risikobereitschaft“, „Grundsatztreue“ und „Modernität“ der selbst ernannten Reinickendorf-Partei „den Menschen draußen deutlich zu machen“. Die Partei muss sich „...inhaltlich fit halten“, und sich „...die Potentiale aller Menschen im Bezirk zu nutze machen...“. So sieht Herr Dr. Wegner also die Menschen „draußen“ in Reinickendorf, nützliches Wahlvolk, die der CDU Macht und Einfluss sichern soll. Dies ist sicher nicht im Sinne der Väter des Grundgesetzes.

Ganz anders der Politikansatz der LINKEN. Der Mensch steht im Mittelpunkt, als Teil der demokratischen Gesellschaft, als aktiver Teilnehmer an der politischen Willensbildung – nicht nur als Stimmvieh zu Wahlzeiten, als Steigbügelhalter für ambitionierte Parteigänger. Eine partizipative Demokratie, die den Willen der Bürger als Grundlage für politisches Handeln sieht, die unterstützende Strukturen schafft, die die Transparenz politischen Handelns sichert, steht auf der linken Agenda. Willensbildung von unten nach oben – da bleibt keine(r) draußen, sind alle einbezogen, müssen es sein, um politische Macht zu kontrollieren und zu begrenzen.

Weiter Dr. Wegner: „Eindeutige Zuordnung wie rechts gegen links, konservativ oder gar reaktionär gegen fortschrittlich und modern, all das entspricht nicht mehr der gesellschaftlichen Wirklichkeit.“ - eine mehr als gewagte These. In Zeiten in denen die Schere zwischen Arm und Reich, zwischen Oben und Unten immer weiter auseinander geht, in denen Menschen (wieder) in Existenznöten sind, die Bildungschancen unserer Kinder (wieder) vom sozialen Umfeld abhängen, Kriege (auch durch CDU-Politik) wieder von deutschem Boden ausgehen – in solchen Zeiten muss man (wieder) eindeutigzuordnen. AktuelleCDU-Politik heißt Ausgrenzen der Schwachen im Inneren und Abgrenzen gegen die globalen Verlierer nach außen, hat mit Fortschritt nichts zu tun, ist nicht im mindestens links. Sicher „sind wir alle in unserem Denken vielschichtiger und durchlässiger geworden“, im politischen Handeln schlägt sich dies nur selten nieder. Da wird Dr. Wegner, wenn er wirklich meint, was er schreibt, viel zu tun haben in seiner Partei.

Auf den Punkt bringt es auch ein redaktioneller Beitrag, in dem die Absicht dargelegt wird, „die Erscheinung des Kreisverbandes (zu) erneuern, um rechtzeitig vor dem nächsten Wahlkampf modern und aktuell zu wirken.“ Man muss halt nicht modern und aktuell sein, nein, es reicht aus, wenn die CDU so wirkt – und das trifft es wohl genau.

Horst Jusch