Grußwort von Lilo Joseph

Nachdenken über einen neuen Gedenkort in Reinickendorf

Vor fast acht Jahren, im März 2014, war ich schon einmal an diesem Ort. Von den nunmehr sichtbaren Mauerteilen waren damals gerade noch die beiden Eckpfosten zu sehen. Nichts hatte darauf hingewiesen, dass hier einmal ein Friedhof aufgesucht werden konnte. Die Natur hatte jedwede Erinnerung daran überwuchert. Mich hatte die Einladung zu einem Gedenkgottesdienst für Opfer faschistischer Verbrechen hierhergeführt. Dazu hatten der inzwischen leider verstorbene Biker-Pfarrer, Bernd Schade, und die damals noch aktive Religionslehrerin Irmela Orland eingeladen.

Selbstverständlich hatte ich daran teilgenommen, denn seit meiner Jugend fühle ich mich verpflichtet, an die faschistische Gewaltherrschaft und an deren Opfer zu erinnern. Als Kind hatte ich die Nazizeit und den furchtbaren Krieg erlebt. Und das sollte nicht noch einmal geschehen! Darum hatte ich mich auch der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) angeschlossen; ich wollte mittun, dass in unserem Bezirk die unmenschlichen Taten des Naziregimes nicht vergessen werden.

An diesen Tag vor fast acht Jahren zurückdenkend, erinnere ich mich an ein sehr berührendes Gedenken, besonders als Schülerinnen und Schülern des Georg-Herwegh-Gymnasiums die Namen von mehr als 100 von hier Ruhenden aufriefen und sie mit deren Geburtstag und Todestag benannten. Den Toten gaben sie damit ihre Individualität zurück. Als Kranke waren diese Menschen in die Heilanstalt gekommen, wurden jedoch nicht gepflegt, oder gar geheilt. Nein, sie waren dem Tode geweiht, denn ihr Leben wurde von den Nazis als unwert stigmatisiert. Und hier fiel mir ein, wie wir Reinickendorfer Kinder damals, in den 40'ern, überall umherstreiften. Doch hier, nicht einmal in die Nähe dieser Parkanlage durften wir unsere Verstecke bauen. Die Erwachsenen hatten es uns verboten.

So ging etwas Unheimliches von hier aus, ein bedrückendes Schweigen. Erst als ich vor einigen Jahren mit meiner VVN-Gruppe die auf diesem Areal im Haus 10 eingerichtete Ausstellung „totgeschwiegen“ besucht hatte, erschloss sich mir, warum wir Kinder diesen Ort meiden sollten. Die Verbrechen sollten verschwiegen werden. Als beim damaligen Gedenkgottesdienst an diese Verbrechen erinnert wurde, habe ich den Opfern versprochen, mitzuhelfen, hier einen Ort zu gestalten, der ein Erinnern und würdiges Gedenken ermöglicht. Und so hatte ich mich mit meiner VVN-Gruppe dem von Irmela Orland ins Leben gerufenen Freundeskreis „Gedenkort Alter Anstaltsfriedhof“ angeschlossen. Nun kann ich mein Versprechen einlösen! In unserem Bezirk wurde am 28. Januar ein Gedenkort für die Euthanasie Opfer der Nazibarbarei eingeweiht.

Und eines fällt mir hierbei noch ein: Schon wieder wird Zwietracht gesät und Feindschaft geschürt, was sich in lodernden Hass und Gewalt entladen kann - das dürfen wir nicht zulassen!

Lilo Joseph