BVV-Report zur 32. Sitzung

Felix Lederle

Planung der Sanierungen der A111 +++ Straßenüberflutungen vermeiden +++ Sondermittelanträge +++ Fortbestand der VHS-Kurse +++ Tod einer Reinickendorferin +++ Korruptionsverdacht +++ Waldseeviertel +++ Personalsituation in den BVV-Büros +++ Verwaltungsreform +++ Masernausbruch im Ankunftszentrum TXL +++ Doch keine Umbenennung der Walderseestraße!

Konsensliste 

Beschlossen wurde der Antrag der Partei Die Linke, sich bei den zuständigen Stellen und insbesondere der DEGES dafür einzusetzen, dass bei den anstehenden baulichen Unterhaltungsarbeiten sowie Sanierungen an der A111 mindestens zwischen AS Stolpe und Waidmannsluster Damm der Verkehr jeweils auf die andere Fahrbahn verlegt wird (einspuriger Gegenverkehr), um dadurch Umleitungen u.a. durch Heiligenseer Wohngebiete zu vermeiden. 

Beschlossen wurde der Antrag der Partei Die Linke, sich bei den zuständigen Stellen dafür einzusetzen, dass geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um so schnell wie möglich weitere Straßenüberflutungen beim Platenhofer Weg in Heiligensee bei bereits etwas stärkeren und/ oder längeren Regenfällen zu vermeiden und möglicherweise mittels eines Entwässerungsüberlaufanschlusses an den Eschengraben.

Beschlossen wurden diverse Sondermittelanträge von Projekten, Vereinen und Initiativen, die sich konkret dafür einsetzen, die Lebensqualität und den sozialen Zusammenhalt in den Kiezen in Reinickendorf zu verbessern. Die Linke begrüßt, dass das vor Jahren auf ihre Initiative eingeführte Instrument der BVV-Sondermittel immer besser genutzt wird und sich bewährt hat. Für das zweite Halbjahr können sehr gerne wieder Sondermittel-Anträge beim BVV-Büro eingereicht werden.

Einwohneranfragen

Auf die Einwohnerfragen nach dem Fortbestand der VHS-Kurse in Reinickendorf machte Felix Lederle für Die Linke deutlich, dass die Volkshochschulen einen enorm wichtigen Beitrag für die Stadtgesellschaft leisten und dass das sogenannte Herrenberg-Urteil des Bundessozialgerichts eine Vielzahl der Träger in der Weiterbildung betrifft, die seit Jahren aus Kostengründen überwiegend Honorarlehrkräfte einsetzen. Lederle erklärte, dass Die Linke Reinickendorf die Forderung der Berliner VHS-Dozent*innen-Vertretung unterstützt: Festanstellung für Daueraufgaben und ein Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Dozentinnen und Dozenten nach dem Vorbild bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Lederle forderte den CDU-SPD-Senat auf, unverzüglich eine Strategie und eine politische Linie zum Umgang mit dem Herrenberg-Urteil vorzulegen und dem Bezirk Reinickendorf die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, bevor die Bezirke im schlechten Fall nach und nach Fakten schaffen und damit die ohnehin schwierige Versorgungslage noch komplizierter wird. Dass das Bezirksamt aufgrund des Nicht-Handelns des Senats eigene Verhandlungen mit der Deutschen Rentenversicherung aufgenommen und sich dazu durchgerungen hat, trotz aller Unwägbarkeiten die Verträge nochmal zu verlängern, ist zu begrüßen, aber jetzt ist der Senat am Zug, schnell zu handeln, zumal das Urteil zwei Jahre zurückliegt.

Bei der Einwohnerfrage zum Tod einer Reinickendorfer Bürgerin, die kurz zuvor von einer Wohnungsloseneinrichtung abgewiesen worden war, betonte Lederle, dass er zwar zum konkreten Einzelfall mangels Hintergrundinformationen keine Aussage treffen kann, dass aber generell in Deutschland das Selbstbestimmungsrecht jedes Patienten bei medizinischen Entscheidungen gilt. Lederle machte deutlich, dass das soziale Netz nach Jahrzehnten neoliberaler Kürzungspolitik in Deutschland ausgedünnt ist und in diesem tragischen Fall offenbar nicht stark genug war, um der Mitbürgerin die Unterstützung angedeihen zu lassen, die sie gebraucht hätte. Da die Armut in Deutschland nachweislich seit 2006 und somit auch in Phasen einer guten wirtschaftlichen Entwicklung und verstärkt in den aktuellen Krisenzeiten immer weiter zunimmt, steht zu befürchten, dass wir in der kommenden Zeit immer wieder mit ähnlichen Fällen konfrontiert werden. Vor diesem Hintergrund dankte Lederle für die Einwohnerfrage, um das gemeinsame Bewusstsein der Politik zu schärfen, dass in einem reichen Land mit humanistischem Anspruch kein Mensch auf der Strecke bleiben darf. 

Angesichts des Korruptionsverdachts gegen einen Mitarbeiter des Fachbereichs Straßenbau, argumentierte Lederle, dass die Ergebnisse des Disziplinarverfahrens abzuwarten sind und dann ggf. Anklage erhoben wird und dann bei Bedarf politisch nachgesteuert werden muss, wodurch die BVV ins Spiel kommen würde, um eventuell weitere Änderungen an den bezirklichen Verfahren bei Ausschreibungen und Vergabe anzuregen.

Dem Sprecher der Büger*innen-Initiative Waldseeviertel, Prof. Ortmann, dankte Lederle für sein jahrelanges Engagement für eine Verkehrsberuhigung des Wohngebiets Waldseeviertel, die auch Die Linke Reinickendorf anstrebt. Changing Cities e.V. hat zwischenzeitlich das Bezirksamt verklagt, um herauszufinden, inwieweit das Mobilitätsgesetz in der Praxis gilt. 

Mündliche Anfragen

Erfreulich ausführlich stellte die Bezirksbürgermeisterin Emine DemirbükenWegner (CDU) in Folge der entsprechenden Frage von Lederle die aktuellen Bemühungen der Bezirke dar, eine bezirksübergreifende Lösung für die überall mehr oder weniger prekäre Personalsituation in den BVV-Büros zu erreichen, was wichtig ist, weil gut funktionierende BVV-Büros mit guten Arbeitsbedingungen essentiell sind für die BVV-Arbeit und somit die Demokratie in den Bezirken sind. 

Offene Drucksachen

Im Rahmen der Debatte der Großen Anfrage zum Thema Stand und Perspektiven der Verwaltungsreform erklärte Lederle erneut, dass eine Neuordnung der bisherigen Zuständigkeitsregelungen mit klarerer Verantwortung und transparenterer Aufgabenverteilung zwischen Senat, Bezirken und nachgeordneten Behördenwichtig ist, da viele Bürgerinnen und Bürger und auch viele Politikerinnen und Politiker das regelmäßige Zuständigkeits-Ping-Pong und die langwierigen Verwaltungsprozesse und immer wieder kehrenden Politikblockaden zwischen Land und Bezirken aufgrund von Doppelzuständigkeiten leid sind und die Handlungsfähigkeit des Staates darunter leidet. Lederle hierzu: „Das Ziel in einem Zuständigkeitskatalog die Aufgaben der Hauptverwaltung sowie der Bezirke jeweils eindeutig zu benennen, ist unterstützenswert. Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips sollte dabei allerdings gelten, dass alle Aufgaben, die eigenverantwortlich auf der unteren Ebene bearbeitet werden können, dort angesiedelt werden müssen. Zentral wichtig ist die Beteiligung der Bezirke bei der Erarbeitung des neuen Zuständigkeitskatalogs, weshalb wie vom Senat angekündigt, auch die Vertreterinnen und Vertreter der BVVen einbezogen werden müssen, was bislang nicht der Fall ist. Eine Stärkung der BVVen mit mehr Letztentscheidungsrechten ist wünschenswert! DerSenat muss endlich wieder das Konnexitätsprinzip strikt beachten, also bei der Zuordnung von bezirklichen Aufgaben gleichzeitig sicherstellen, dass den Bezirken die dafür benötigten Ressourcen zur Verfügung stehen! Eine Verwaltungsreform für u.a. eine Entflechtung der Doppelzuständigkeiten und mehr gesamtstädtische Steuerung ist sinnvoll, aber ohne ausreichend Finanzmittel und Personal kann von einer Stärkung der Bezirke nicht die Rede sein.“

-Im Rahmen der Debatte der Großen Anfrage zum Thema Masernausbruch im Ankunftszentrum TXL dankte Lederle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten, des Deutschen Roten Kreuzes, des Gesundheitsamts in Reinickendorf und der Berliner Polizei, die ihr Möglichstes getan haben, um den Masernausbruch in Tegel einzudämmen. Lederle hierzu: „Ich begrüße, dass allen Bewohnerinnen und Bewohnern in Zusammenarbeit mit unserem Gesundheitsamt ein Impfangebot unterbreitet wurde. Nun ist die Erarbeitung einer umfassenden Angebotssystematik für die Zukunft wichtig. Das Grundproblem bleibt jedoch die Massenunterkunft selbst, die so schnell wie möglich überwunden werden muss. Der Umgang mit vulnerablen Gruppen in Tegel, der nur eingeschränkte Gewaltschutz für Frauen und Kinder und die Verstöße gegen die Behindertenrechts- und die Kinderrechtskonvention sind inakzeptabel. Hinzu kommt, dass hier vom neuen Senat auch Lehren aus der Corona-Zeit mit Füßen getreten werden, denn selbstverständlich ist diese Form der dicht-an-dicht Massen-Unterbringung auch epidemiologisch gesehen Unfug.“

Vorlagen zur Kenntnisnahme

Höchst unzufrieden zeigte sich Lederle wie auch die SPD und Bündnis 90/ Die Grünen mit der Nicht-Umsetzung der von der BVV auf Antrag von Die Linke beschlossenen Umbenennung der Walderseestraße mit der sehr fragwürdigen Begründung des Bezirksamts, man müsse zuvor einen Forschungsauftrag zu Herrn Waldersee erteilen, was man sich finanziell nicht leisten könne. Lederle hierzu: „Damit entwertet das Bezirksamt die inhaltlichen Debatten in den BVV-Ausschüssen und im Plenum der BVV und jahrzehntelange wissenschaftliche Forschungsarbeit u.a. der FU Berlin. Ein Forschungsauftrag wurde nicht beantragt und ist auch nicht notwendig.“ Herr Waldersee war der oberste Kommandant von rund 75 Strafexpeditionen in China nach der bereits erfolgten Niederschlagung des Boxer-Aufstands in China. Hierzu findet sich leicht im Internet zu recherchieren u.a. auf der Webseite des Centre for atlantic and global studies der Leibnitz Universität Hannover, der Stadt, die bereits die Umbenennung einer Walderseestraße vorgenommen hat, folgende Einschätzung: „Ohne militärischen Nutzen plünderten und brandschatzten die Truppen von Waldersees die Stadt erneut. Sie rafften alle möglichen Kulturgüter zusammen, um diese in der Heimat zu verkaufen. Gemeinsam mit den alliierten Truppen führten von Waldersees Soldaten im Anschluss 75 „Strafexpeditionen“ gegen sogenannte „Boxernester“ durch, um angeblich den letzten Widerstand zu brechen. Bei ihren Operationen kam es reihenweise zu Morden, Vergewaltigungen, Plünderungen, Folter und Massakern, die vor allem die von Kaiser Wilhelm geforderte Abschreckung zum Ziel hatten.“ Nach den Ausführungsvorschriften zu § 5 des Berliner Straßengesetzes (AV Benennung) Punkt 2, Absatz 2c ist eine Umbenennung in diesem Fall der Walderseestraße rechtlich möglich. In einer früheren Debatte hatte die AfD zu verstehen gegeben, dass sie Herrn Waldersees Wirken positiv sieht. In der aktuellen Debatte erklärte die CDU, dass sie Straßenumbenennungen grundsätzlich ablehnt, weil dies dem Bezirksamt Arbeit macht und Anwohnerinnen und Anwohner dann ihre Postanschrift ändern müssen. Lederle hierzu: „Die BVV hat beschlossen, nicht weiter einen Kriegsverbrecher zu ehren, sondern unter Beteiligung der Bürgerschaft einen neuen Straßennamen zu finden und diesmal eine Frau zu ehren, weil es im Bezirk kaum Benennungen nach Frauen gibt. Wenn das Bezirksamt dabei wissenschaftliche Unterstützung benötigt, empfehle ich, sich zum Beispiel an die betroffenen Berliner Museen oder an die FU Berlin zu wenden. Nach der Rücküberweisung in die Ausschüsse werden wir die Debatte dort fortsetzen. Es geht um eine einzige Straßenumbenennung und nicht um eine Serie von Umbenennungen.“