BVV-Report zur 35. Sitzung
Resolution zur Ansiedlung der Berliner Hochschule für Technik +++ ehemaliges Waldhotel in Frohnau +++ Sparpolitik des CDU-SPD-Senats auf Kosten der kommunalen Ebene +++ Mieterschutz in Reinickendorf? +++ UN-Kinderrechtskonvention +++ Baumscheiben begrünen +++ Trinkwasserbrunnen +++ Mehrkosten für die Hilfen zur Erziehung
Resolution
Mit dem einstimmigen Beschluss einer von Grünen, CDU, SPD, FDP und Die Linke eingebrachten Resolution (2143/XXI) hat die BVV aus aktuellem Anlass dem Bezirksamt empfohlen, sich beim Senat dafür einzusetzen, „dass die Pläne zur Ansiedlung der Berliner Hochschule für Technik in der Urban Tech Republic (UTR) wie seit langem geplant zügig umgesetzt werden.“ Die Bezirksbürgermeisterin Fr. Demirbüken-Wegner (CDU) informierte, dass das Bezirksamt am Vortag auch eine entsprechende Presseerklärung abgeben hat, in der anderslautenden, allerdings nicht-offiziellen Überlegungen im Senat eine Absage erteilt wurde. Die Beuth-Hochschule soll nach aktuellem Planungsstand und aus Sicht der gesamten Bezirkspolitik „das Herzstück“ der UTR werden.
Einwohneranfragen
Da das BVV-Büro am Ende der Vorwoche nicht besetzt war und die Frist zur Einbringung von Einwohnerfragen deshalb vorverlegt werden musste, lag nur eine einzige Einwohnerfrage vor, bei deren Beantwortung deutlich wurde, dass dem Bezirksamt keine Erkenntnisse vorliegen, wonach das ehemalige Waldhotel in Frohnau für die Unterbringung Geflüchteter genutzt werden soll.
Mündliche Anfragen
Auf die Anfragen von Hinrich Westerkamp (Grüne) und Felix Lederle (Die Linke) zur Sparpolitik des CDU-SPD-Senatsauf Kosten der kommunalen Ebene bestätigte die Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU), dass die Senatsverwaltung für Finanzen alle Bezirke aktuell aufgefordert hat, bis 30.11.2024 keinerlei Ausgaben zu tätigen, die eine Vorentscheidung für Ausgaben in 2025 darstellen und führte aus, dass alle Abteilungen im Bezirksamt (BA) aktuell prüfen, was alles davon betroffen ist. Demnach geht es zum einen um Verpflichtungsermächtigungen z.B. für Baumaßnahmen oder Photovoltaikanlagen, für die nun vom BA belegt werden muss, dass sie „unabweisbar und dringlich“ sind. Zum anderen betrifft diese de facto Haushaltsperre, die offiziell nicht so genannt wird, den wichtigen Bereich der Zuwendungen und hier sei jegliches Verwaltungshandeln bis Ende November untersagt. Somit sind bis auf Weiteres keine verbindlichen Absprachen mit den Zuwendungsempfängern möglich und müsse dies nun in den wenigen Tagen vor den Weihnachtsferien nachgeholt werden, wenn die de facto Haushaltssperre hoffentlich zum 1.Dezember aufgehoben wird. Aktuell führt das Vorgehen des Senats dazu, dass die Träger u.a. in der Jugend- und Familienförderung, für Gleichstellungsprojekte oder mit zentralen sozialen Aufgaben der Wohlfahrtsverbände keine Planungssicherheit haben und zum Teil ebenfalls keine Verträge und z.B. Arbeitsverträge für das kommende Jahr abschließen können. Hierzu Lederle für Die Linke: „Der CDU-SPD-Senat spart u.a. die soziale Infrastruktur in der Zeit der größten sozialen Krise der Geschichte der Bundesrepublik kaputt. Diese neoliberale Kürzungspolitik gefährdet den sozialen Zusammenhalt, verursacht viele gesellschaftliche Folgeprobleme und muss so schnell wie möglich beendet werden.“
Mieterschutz in Reinickendorf? Auf Anfrage von Felix Lederle für Die Linke, räumte die Bezirksstadträtin Fr. Stephan (Grüne) ein, dass sie anders als im November letzten Jahres im Ausschuss für Stadtentwicklung angekündigt, die von der BVV auf Initiative von Die Linke mit breiter Mehrheit beschlossene, vertiefende Untersuchung zur Ausweitung des Milieuschutzgebiets in Reinickendorf-Ost nicht zeitnah, sondern erst vor kurzem ausgeschrieben hat. Nun sei zwar ein Unternehmen gefunden worden, das geeignet sei, die vertiefende Untersuchung durchzuführen, aber aufgrund der de facto Haushaltssperre bis 30.November und der haushaltspolitischen Gesamtlage sei völlig unklar, ob dieses Unternehmen beauftragt werden könne. Der Nachfrage von Lederle, ob nicht das Risiko bestehe, dass am Ende des Prozesses das Untersuchungsergebnis lautet, dass es zu spät sei, für eine Ausweitung des Milieuschutzgebietes, da sich die sozial-räumliche Verdrängung von Mieterinnen und Mietern in der Zwischenzeit bereits vollzogen habe, stimmte Fr. Stephan zu, ohne ihre eigene politische Verantwortung in diesem Zusammenhang selbstkritisch zu hinterfragen. In Folge einer weiteren Nachfrage von Lederle, welche Schritte seitens der Stadträtin unternommen worden sind, um den anderen unter dem Gesichtspunkt des Mieterschutzes besonders wichtigen BVV-Beschluss von Ende letzten Jahres umzusetzen, das Grobscreening für den gesamten Bezirk zur Identifizierung neuer Milieuschutzgebiete zu aktualisieren, wurde deutlich, dass auf dieser Strecke nichts passiert ist bzw. die Stadträtin sich nicht einmal an den Beschluss erinnern kann. Hierzu Lederle: „Mieterschutz ist eine zentrale politische Aufgabe in der Mieterstadt Berlin, wo viele auch in Vollzeit berufstätige Menschen sich die Miete kaum noch leisten können. Dass wichtige Beschlüsse der BVV für Mieterschutz im Bezirksamt liegen bleiben und nicht oder nur sehr schleppend bearbeitet werden, zeigt, dass der Mieterschutz für die zuständige Dezernentin Fr. Stephan (Grüne) leider keine große Priorität besitzt. Nun besteht nach langen Monaten der Untätigkeit sogar das Risiko, dass beide Beschlüsse aus Kostengründen überhaupt nicht umgesetzt werden. Das ist insgesamt sehr enttäuschend und unverständlich und meines Erachtens wird das Bezirksamt seiner Verantwortung in Sachen Mieterschutz derzeit leider nicht gerecht und lässt einen Teil der Mieterinnen und Mieter im Stich.“
Große Anfrage
Im Rahmen der Großen Anfrage „UN-Kinderrechtskonvention - Umsetzung im Bezirk gewährleistet?“ listete der zuständige Stadtrat Hr. Ewers (SPD) sehr detailliert die vielfältigen, entsprechenden Bemühungen des Bezirksamts auf. Bei aller Anerkennung hierfür machte Lederle in seiner Rede deutlich, dass sich Deutschland von dem 1992 mit der Ratifizierung verbindlich festgelegten Ziel immer weiter entfernt, Eltern und Familien dabei zu unterstützen, allen Kindern einen „angemessenen Lebensstandard“ zu bieten und die Kinderarmut hierzulande seit Jahren nicht ab-, sondern immer mehr zunimmt. Lederle hierzu: „Deutschland ist – statistisch gesehen – insgesamt ein reiches Land, in dem der Reichtum aber seit vielen Jahren ungleich und immer ungleicher verteilt wird und gemäß dem Gini-Koeffizienten deutlich ungleicher verteilt ist als selbst z.B. in den USA. Aktuell gilt mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland als „arm“. Kinder aus armutsgefährdeten oder armutsbetroffenen Haushalten sind nachweislich, vielfach benachteiligt. Von Chancengleichheit kann nicht die Rede sein. Die UN-Kinderrechtskonvention benennt die richtigen Ziele, aber konsequent umsetzen, lässt sie sich nicht, weil sich die Ampel-Bundesregierung einen schlanken Fuß macht und z.B. die von ihre selbst beschlossene Kindergrundsicherung nicht einführt und gleichzeitig in Land und Bund eine radikale Sparpolitik betrieben wird und die Kommunen kaum noch finanziell handlungsfähig sind.“
Drucksachenberatung
Vergeblich warb Lederle für eine Mehrheit in der BVV für den guten Antrag der Grünen, Baumscheiben zu begrünen und machte deutlich, dass dies nicht nur ein nice-to-have ist, sondern essentiell im Kampf um eine Verlangsamung des Artensterbens in Deutschland, wo mittlerweile mehr als jede dritte einheimische Art bedroht ist. Gleichwohl stimmte eine Mehrheit aus CDU und AfD gegen den Antrag.
Zusätzliche Trinkwasserbrunnen im Bezirk können nicht angelegt werden, weil dafür im Sparhaushalt des Landes sowie im Haushalt der Berliner Wasserbetriebe kein Geld vorgesehen ist. Lederle hierzu: „Dies steht im Widerspruch zu Versprechen des Senats im Zusammenhang mit Hitzeschutz.“
Verschiedenes
Einen Tag nach der BVV-Sitzung wurde im Haushaltsausschuss bekannt, dass den Bezirken Mehrkosten für die Hilfen zur Erziehung (HzE) in Höhe von 123 Mio. Euro entstanden sind, von denen 8,8 Mio. Euro auf den Bezirk Reinickendorf entfallen. Hierzu Lederle für Die Linke: „Ich hatte in meiner Begründung zur Ablehnung des letzten Doppelhaushalts des Bezirks davor gewarnt, dass dieser viele Risiken birgt und der Puffer für HzE voraussichtlich nicht auskömmlich sei und stelle nun fest, dass es noch schlimmer gekommen ist. Alle Bezirke Berlins sind mittlerweile nicht oder kaum noch finanziell handlungsfähig und völlig abhängig von Ausgleichszahlungen des Senats, sei es bei HzE oder dem Anstieg von Energiekosten für die vielen öffentlichen Gebäude. Gleichzeitig plant der Senat das radikalste Kürzungsprogramm in der Geschichte Berlins seit dem zweiten Weltkrieg. Alle Bezirke müssen sich gemeinsam dafür einsetzen, dass sie auskömmlich finanziert werden und angesichts der gegenwärtigen, zugespitzten sozialen Lage gerade jetzt, weiterhin die wichtigen, sogenannten freiwilligen sozialen Leistungen durch die Bezirke finanziert werden können.“
