BVV-Report zur 40. Sitzung
Koordinierungsstelle für kommunale Entwicklungspolitik +++ selbstbestimmtes Wohnen für Psychiatrie-Betroffene +++ Gefahren am Oraniendamm +++ Müll-Beschwerden +++ Mängel in DW-Hochhaus +++ Neue Städtepartnerschaft +++ Erste Power-to-Heat-Anlage +++ Umbau an der Resi +++ Wildtiermanagement +++ wie weiter in Tegel mit der Unterbringung Geflüchteter
Konsensliste
Auf Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke beschloss die BVV, die Stelle der Koordinatorin/des Koordinators fürkommunale Entwicklungspolitik unter Einbeziehung der vorhandenen Fördermöglichkeiten zu verlängern.
Einwohneranfragen
Zu der Frage einer Einwohnerin zum Thema selbstbestimmtes Wohnen für Psychiatrie-Betroffene anlässlich des Todes eines wohnungslosen, psychisch kranken Mitbürgers auf der Straße erklärte Felix Lederle für Die Linke, dass rund 16 Prozent der Bevölkerung mit anerkannten Behinderungen und chronischen Erkrankungen leben, diese überproportional oft erwerbslos, von Sozialhilfe abhängig und in Heimen untergebracht sind und sich Die Linke dafür einsetzt, dass alle Menschen selbstbestimmt in einer inklusiven und barrierefreien Gesellschaft leben können und dies eine menschenrechtliche Aufgabe gemäß der auch für Deutschland verbindlichen Vorgaben der Konvention der Vereinten Nationen darstellt, die nicht unter Kostenvorbehalt gestellt werden darf. Lederle warf dem CDU-SPD-Sparsenat vor, genau dies getan zu haben und den konkreten, realistischen und mit der Zivilgesellschaft verabredeten Masterplan des alten Senats bzw. der seinerzeitigen Linken-Sozialsenatorin zur Überwindung von Wohnungslosigkeit bis 2030 weitgehend in die Tonne getreten zu haben. Hierzu Lederle: „Die Möglichkeiten des Bezirks sind begrenzt. Ohne einen Politikwechsel auf Landesebene droht eine weitere Verschlechterung der Situation wohnungsloser Menschen und darunter auch vulnerabler Gruppen mit allen damit verbundenen gesellschaftlichen Folgekosten. Was es jetzt braucht, ist eine Rückbesinnung auf die gute Wohnungslosenpolitik der Linken in Regierungsverantwortung bis 2023 bzw. den damaligen Masterplan: vorbeugende Maßnahmen, um Wohnungsverlust vorzubeugen, Instrumente, um Zwangsräumungen zu verhindern, Ausbau des Modellprojektes „Housing First“ und eine Verankerung von „Zuerst eine Wohnung“ als Regelansatz in der Wohnungslosenhilfe, feste Quoten für die Neuvermietung von Wohnungen (Neubau und Bestand) der Landeswohnungsunternehmen und ein öffentliches Wohnungsbauprogramm für bezahlbare Wohnungen generell, ein Ausbau der bedingungslosen Notunterbringung, wofür auch geschützte Flächen für ein selbstbestimmtes Leben bereitgestellt werden sollten, etwa in Zelten oder eben Tiny Houses sowie begleitende Hilfsangebote durch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter.“
Auf die Frage eines Anwohners, wie das Linksabbiegeverbot von den Parkplätzen Oraniendamm 6-10 und 65-66 besser durchgesetzt werden kann, verwies das Bezirksamt leider zu Recht auf das allgemeine Kontrollproblem bei knappen Ressourcen der Polizei, die für den fließenden Verkehr zuständig ist und kündigte Felix Lederle an, einen Antrag in die BVV einzubringen, an den Ausfahrten das Zeichen 209-20 "vorgeschriebene Fahrtrichtung - rechts" aufzustellen.
Mündliche Anfragen
Auf entsprechende Nachfrage von Lederle informierte das Bezirksamt, dass die Beschwerden aus der Bevölkerung angesichts vonVermüllung in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen sind von 6.133 Beschwerden in 2020 auf 10.259 Beschwerden in 2024. Hierzu Lederle: „Die CDU ist 2023 in Berlin mit dem Versprechen an die Macht gekommen, dafür zu sorgen, dass die Stadt wieder besser funktioniert. Seitdem werden aber im Widerspruch hierzu vom CDU-SPD-Senat auf breiter Front die öffentliche Infrastruktur, die Verwaltung und die Bezirke kaputt gekürzt. Die zunehmende Vermüllung im öffentlichen Raum und die daraus resultierende Zunahme von Beschwerden aus der Bürgerschaft sind ernst zu nehmen und entsprechend muss der Senat umgehend in die BSR und die Bezirke investieren.“
Erneut fragte Lederle nach der Mängelbeseitigung in dem Hochhaus von Deutsche Wohnen in der Blunckstraße 10. Denn bei einem Vor-Ort-Termin von Die Linke mit dem Mieterverein Reinickendorf hatte sich herausgestellt, dass anderslautenden Behauptungen von DW gegenüber dem Bezirksamt und entsprechenden Annahmen der zuständigen Stadträtin Fr. Stephan (Grüne) in der BVV am 12.2.25 keineswegs alle relevanten Mängel beseitigt worden waren und sind. Erfreulicherweise nahm die Stadträtin die Mündliche Anfrage zum Anlass, um DW sofort erneut anzuschreiben und die Beseitigung der noch vorhandenen Mängel (undichte Fenster und Wasserrohre, uralter Bodenbelag, der eine Stolperfalle darstellt und Barrierefreiheit beeinträchtigt, undichtes Dach vor dem Aufzug in der 11. Etage) einzufordern. Hierzu Lederle: „Dank an Fr. Stephan, dass sie DW erneut angeschrieben hat. Die Linke lässt hier nicht locker. Wir setzen uns dafür ein, dass das Gesetz zur Beseitigung von Wohnungsmissständen in der Praxis eingehalten wird. Wir lassen DW nicht aus seiner Verantwortung. Nix investieren, um maximale Rendite abzuschöpfen, läuft nicht.“
Vorlagen zur Kenntnisnahme
Das Bezirksamt hat am 11.2.2025 beschlossen, einen offiziellen Städtepartnerschaftsvertrag zwischen dem Bezirk Reinickendorf und dem Istanbuler Stadtbezirk Bakırköy abzuschließen, regelmäßige Delegationsbesuche durchzuführen, Austauschprogramme für Fachkräfte der Bezirksverwaltung zu initiieren sowie gemeinsame Kulturveranstaltungen und den Jugendaustausch zu fördern. Hierzu Lederle: „Ich begrüße, die Städtepartnerschaft mit Bakırköy sehr und danke der Bezirksbürgermeisterin Fr. Demirbüken-Wegner für ihren Einsatz, denn Berlin und Istanbul verbindet vieles. An der parteitaktisch geprägten und mit Schulzuweisungen garnierten Debatte in der BVV, wer, wann eine andere Idee für eine neue Städtepartnerschaft eingebracht hat und weshalb diese nicht realisiert wurde, habe ich mich nicht beteiligt, auch wenn mein seinerzeit mit Bundesmitteln ausfinanzierter Vorschlag vor 5 Jahren für eine Partnerschaft mit einer Stadt des globalen Südens einzugehen, leider damals nicht mehrheitsfähig war.“
Große Anfragen
Im Rahmen der Großen Anfrage zur Realisierung einer ersten Power-to-Heat-Anlage in der Pankower Allee 56 erklärte Lederle: „Ich bin für Technologieoffenheit und das erproben und evaluieren unterschiedlicher neuer Technologien für die dringend notwendige Energiewende im Gebäudebestand im Bezirk. Es ist zu begrüßen, wenn die Power-to-Heat-Anlage im erhofften Umfang zur Reduzierung von CO₂-Emissionen beiträgt und die Nebenkosten für Mieterinnen und Mieter stabilisiert. Bei Letzterem bleibt bei mir mit Blick auf Vonovia aus guten Gründen eine gesunde Skepsis, aber ich lasse mich gerne positiv überraschen und werde die Auswirkungen auf die Nebenkosten in den kommenden Jahren genau beobachten und in der BVV bei Bedarf zu gegebener Zeit nachhaken.“
Die Große Anfrage der AfD zum Umbau des Franz-Neumann-Platzes sowie der Residenzstraße brachte wenig neue Erkenntnisse, was daran liegen mag, dass das wichtige Thema regelmäßig in der BVV und ihren Ausschüssen behandelt wird.
Im Rahmen derGroßen Anfrage zum Wildtiermanagement schätzte Lederle ein, dass das wohl größte politische Problem im Zusammenhang mit Wildscheinen, die durch sie verursachte Erosion an den Entwässerungsgräben ist und erläuterte, weshalb die Wildschweinrotten in Heiligensee seit der Wende angewachsen sind, obwohl Wildschweine seitdem intensiver bejagt wurden, was der aktuellen Forderung von CDU und AfD nach einer generellen Intensivierung der Jagd empirisch und faktisch widerspricht. Hierzu Lederle: „Nicht-populistische, aber dafür wirksame Maßnahmen, die in Abstimmung mit dem Senat zu ergreifen sind und die ich für Die Linke nun beantragen werde, sind die Einrichtung eines offenen Wildschweinreservats im Forst, mit geförderten Futterbäumen, Wasserquellen und dortigem Jagdverbot, eine intelligente reduzierte Bejagung, die zielführend die Tiere in den Wald treibt und die natürliche, geringere Reproduktionsrate wiederherstellt, ein Anpflanzungsstopp von Futterbäumen im Straßenland, die Beseitigung von Eicheln und Baum-Haselfrüchten im Straßenland und die Beseitigung von Strauchwildwuchs am Straßenrand.“
Die Große Anfrage zu der geplanten neuen Flüchtlingsunterkunft in Tegel Nord und dem Stand der Abstimmungen zwischen Land und Bezirk ergab, dass es keine relevante Abstimmung des CDU-SPD-Senats mit dem Bezirk Reinickendorf gibt und dem Bezirksamt bspw. nicht einmal das geplante Unterbringungskonzept und Informationen zu den voraussichtlichen Kapazitäten und der Belegungsstruktur vorliegen. Hierzu Lederle: „Die Senatspolitik der Unterbringung geflüchteter Menschen im Land Berlin ist sehr widersprüchlich, intransparent und insgesamt dysfunktional. Die einen im Senat setzen wie Die Linke auf menschenwürdige und integrationsfreundliche Unterbringung und die anderen hingegen offensichtlich auf Abschreckung. Die auf dem ehemaligen, militärisch genutzten Teil des Flughafengeländes geplante zusätzliche Unterkunft soll immerhin keine Notunterkunft sein, sondern eine bessere Gemeinschaftsunterkunft und wenn der Senat mit ihrer Errichtung den Zweck verfolgen würde, die Massenunterkunft in unmittelbarer Nähe zu entzerren, würde sich Die Linke den Plänen nicht verweigern, auch wenn der neue Standort noch abgelegener und verkehrlich noch schlechter angebunden ist. Wenn sich im Senat hingegen diejenigen durchsetzen, die meinen, die neue Unterkunft in unmittelbarer Nähe der Massenunterkunft, die manche Vertreter der Regierungsparteien zu allem Überfluss auf eine Kapazität von 10.000 Menschen erweitern wollen, solle noch oben drauf kommen, lehne ich das entschieden ab. Eine so massive Konzentration von Geflüchteten an einem Ort und dann noch ohne entsprechende Infrastruktur ist in vielerlei Hinsicht schädlich. Die Linke steht für dezentrale Unterbringung.“
Beratung offener Drucksachen
Im Rahmen der Debatte zu der Großen Anfrage von Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen zur Unterbringung Geflüchteter in Reinickendorf im Februar 2024 übte auch die Bezirksbürgermeisterin Frau Demirbüken-Wegner (CDU) deutliche Kritik an der Unterbringungssituation in Tegel und sprach sich ebenso wie Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen klar gegen einen längerfristigen Weiterbetrieb der Massen-Unterkunft aus. Bündnis 90/ Die Grünen und Die Linke stellten in der Folgezeit einen entsprechenden Antrag, wonach Senat und Bezirk gemeinsam eine Exit-Strategie für die Massenunterkunft in Tegel erarbeiten sollen, die dann schrittweise umgesetzt wird. SPD und FDP stimmten dem Antrag zu. Leider wurde dieser wichtige Antrag in der BVV mit den Stimmen von CDU und AfD und somit mehrheitlich abgelehnt. Hierzu Lederle: „Experten und NGOs haben gut begründet, eingeschätzt, dass mit der Massenunterkunft in Tegel gegen die Frauen-, die Kinder- und die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen verstoßen wird, zu deren Einhaltung sich Deutschland verpflichtet hat. Die beschämend schlechte und sehr integrationshinderliche Unterbringung in dieser Massenunterkunft in Tegel kostet den Steuerzahler nach Angaben des Senats zu allem Überfluss auch noch völlig verrückte 1,2 Mio. Euro pro Tag. Die einzige Rationalität, die dieser Form der Unterbringung von Menschen zugrunde liegen kann, ist meines Erachtens Abschreckung. Abgesehen davon, dass zahlreiche Experten und Wissenschaftler belegt haben, dass dieser Politikansatz nicht funktioniert, weil konkret die ukrainischen Geflüchteten in Tegel verständlicherweise immer noch lieber in einer schlechten Unterkunft in Deutschland leben, als im Kriegsgebiet, ist er nicht wertebasiert. Es ist nicht mit christlichen oder anderweitig religiös begründeten oder mit humanistischen Werten vereinbar, Menschen in Not, die vor einem Krieg flüchten und hier meist Menschen, die aus der von Putin angegriffenen und von Deutschland unterstützten Ukraine flüchten, menschenunwürdig unterzubringen. Die Massenunterkunft muss so schnell wie möglich, schrittweise durch dezentrale Unterbringung überwunden werden.“
