Unterbringung Geflüchteter in Reinickendorf

Felix Lederle

Rede von Felix Lederle zur Großen Anfrage

Sehr geehrte Damen und Herren,

CDU und SPD im Bezirk argumentieren seit einiger Zeit, dass Reinickendorf nicht mehr an die Vereinbarung mit dem Senat gebunden sei, Standorte für den Bau von Modularen Unterkünften für Geflüchtete zu benennen, weil im Bezirk mittlerweile nominell viele Geflüchtete leben. Diese Argumentation ist nicht schlüssig und meines Erachtens nicht verantwortungsvoll. Denn für die Geflüchteten, die über das Land im Bezirk untergebracht sind, ist der Bezirk nur eingeschränkt zuständig und die Zustände der Unterbringung in Tegel sind so schlecht, dass wir als Bezirk dazu beitragen sollten, dass wieder MUFs gebaut werden können, um u.a. die Lage in Tegel zu entspannen.

Das Ukraine-Ankunftszentrum in Tegel wurde als Registrierungszentrum mit kurzem Aufenthalt ins Leben gerufen. Es wurde aber vom neuen CDU-SPD-Senat in eine Massen-Notunterkunft für den Aufenthalt von oftmals mehr als einem Jahr umgewandelt und zuletzt hat der Senat die Kapazität sogar auf 7.000 Menschen erweitert. Die Menschen sind entweder in Zelten untergebracht, wo es im Sommer zu warm und im Winter zu kalt ist oder in Boxen. Im ehemaligen Hangar stehen jetzt Boxen mit einer Deckenhöhe von 2 Metern und einer Größe von 25 qm, in denen bis zu 10 Menschen lange Zeit leben. Pro Box gibt es 5 Doppelbetten mit kaum Abstand, keine Türen und nur Vorhänge, keine Steckdosen, die Heizung fällt ab und zu aus, das Licht lässt sich nicht regulieren, es gibt keine Schränke und in der Regel erfolgt unverständlicherweise eine gemischtgeschlechtliche Unterbringung. Umziehen geht nur in der Dusche, der Lärmpegel ist tagsüber hoch und die Nachtruhe wird von der Security nicht konsequent durchgesetzt. Die Geflüchteten verfügen nicht über eine Kühlmöglichkeit für Lebensmittel oder eine eigene Kochgelegenheit. Die Anzahl und Qualität der sanitären Einrichtungen sind mangelhaft. Die Taschen der Geflüchteten werden durchsucht, wenn sie eintreten und ihre Habseligkeiten bisweilen auch in Abwesenheit. Regelmäßig kommt es zu Diebstählen. Die Polizei wird von der Security erstaunlich selten gerufen. Am 4.12. mussten nach einer Kontrolle auf einen Schlag 55 Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes ihren Dienst beenden, weil erforderliche Qualifikationen nicht vorlagen.

Es gab einen Beschwerdebrief von Frauen, die dringend um Schutz baten und einen zweiten von Menschen, die in einer Massenschlägerei vor Ort verprügelt wurden. In Tegel leben chronisch Kranke, Menschen mit Behinderung, demente Menschen, traumatisierte und psychisch Kranke und für all diese Gruppen ist die Form der Unterbringung und Versorgung nicht bedarfsgerecht. Die medizinische Versorgung ist nur rudimentär und unzureichend für 7.000 Menschen. Obwohl es dort nicht wenige schwangere Frauen gibt, gibt es keinen Gynäkologen und keine einzige Hebamme und wenig überraschend eine relativ hohe Zahl von Fehlgeburten. Berichtet wurde von einer Frau, die nach der Entbindung im Krankenhaus im Wochenbett mit ihrem dreitägigen Kind in einer Box mit sechs fremden Männern untergebracht wurde. In einem anderen Fall von Verdacht auf Herzinfarkt dauerte es über eine halbe Stunde bis der Rettungswagen vor Ort war. Der Flüchtlingsrat kritisiert zu Recht den Umgang mit vulnerablen Gruppen, den nur eingeschränkten Gewaltschutz für Frauen und Kinder und die Verstöße gegen die Behindertenrechts- und die Kinderrechtskonvention. Tegel hat sich zu einer Massenunterkunft ohne Qualitätsstandards, zu einer Kleinstadt auf engstem Raum ohne Infrastruktur, ohne regelhafte Versorgung, ohne Privatsphäre und kaum Kontakt zur Außenwelt entwickelt. Sinn macht das Ganze nur, wenn der neue Senat nun auf Abschreckung setzen möchte. Diese Massenunterkunft darf nicht verlängert werden. Das Ganze geht uns etwas an. Der Bezirk hat eine politische Mitverantwortung, weil er in den letzten Jahren keine neuen Standorte für MUF-Bau benannt hat. Wir müssen jetzt als Bezirk unseren Beitrag leisten, indem wir ermöglichen, dass wieder MUFs gebaut werden können, um die Unterbringungssituation in Tegel und andernorts zu entspannen.