Wider das Vergessen

Wir in Reinickendorf • 01/2008

Vierzehn neue Stolpersteine in Reinickendorf

Mittwoch, 12. Dezember 2007. Seit 9.00 finden Fußgänger in der Hermsdorfer Schlossstrasse vor dem Haus Nr. 1 zwei blanke Messingtafeln auf Betonquadern in den Gehweg eingelassen. Stolpersteine. Verlegt hat sie Gunter Demnig. Sie sind seine Idee und seine Initiative. Europa-weit mehr als 12 500 seit 1997. Zwölftausenfünfhundert!
Jeder Stein ein Name, ein Mensch, ein Schicksal, dem Vergessen entrissen.
Falkenthaler Steig 16 war nach der Schlossstrasse die nächste Station, ehemals ein jüdisches Zentrum, Kinderheim und Synagoge. Eine Tafel soll, dem Vernehmen nach, demnächst daran erinnern.

Vier Steine. Weitere in der Berliner Strasse, Herbsteiner Strasse, Feuerweg, Nordbahnstrasse. 1)

Schon vor geraumer Zeit haben Leute, (wahrscheinlich solche, die es nötig haben) die Formel gefunden, man möge doch endlich die Vergangenheit ruhen lassen. Klingt sogar irgendwie einleuchtend. Legt nahe: Kümmert euch lieber um gegenwärtige Probleme! Aber genau darum geht es ja. Geschichte ist nicht abstrakt, die Beschäftigung mit ihr kein Selbstzweck, sondern gerichtet auf Gegenwart und Zukunft. Und die Neonazis sind verdammt gegenwärtig. Aufpassen müssen wir, dass sie nicht auch zukünftig werden. Man lese die täglichen Nachrichten! Hakenkreuze auf jüdischen Friedhöfen, an Synagogenmauern, Überfälle auf Fremde oder nur fremd Erscheinende, Brutalität, Menschenverachtung. Es kommt schon vor – viel zu selten allerdings – dass jene aus der sogenannten Mitte, die es zunächst für klug hielten, den Rechten Raum zu lassen, jetzt erschrecken. Goethes Zauberlehrlinge: “Die ich rief, die Geister, werd´ ich nun nicht los!“ Nur, dass kein Meister kommen wird, den Spuk zu bannen. Das müssen wir schon selber tun.

Werner Wüste

1) Ich habe mit Gunter Demnig gesprochen. Die Opfer unter der jüdischen Bevölkerung sind am besten dokumentiert, sagt er. Für Sinti und Roma, für Opfer bei den Homosexuellen muss noch mehr getan werden. Nein, die Stolpersteine sind nicht für diese Bevölkerungsgruppen reserviert.

Was mich die Frage an die AG Stolpersteine Reinickendorf stellen lässt: Wenn es zunächst auch keine Hans-und-Hilde-Coppi-Straße geben soll, (siehe WIR Nr. 6/2005) warum nicht ihrer durch Stolpersteine gedenken? Die Nazis haben sie 1942 bzw. 1943 ermordet, nachzulesen bei Harald Poelchau, damals Gefängnispfarrer, in „Die letzten Stunden“.