Kollegen auf’s Abstellgleis?!

Wir in Reinickendorf • 02/2002

Pläne von Babcock-Borsig bedeuten das Ende einer langen Tradition

Eigentlich sollen Fördergelder der Europäischen Union Arbeitsplätze in Regionen schaffen, wo keine oder nur wenige vorhanden sind. Eigentlich will der Wettbewerbskommissar Mario Monti unlauteren Wettbewerb verhindern. In Wahrheit aber verzerrt die Vergabe von EU-Geldern im Falle Babcock-Borsig den Standortwettbewerb zuungunsten Berlins als Industriestandort. Opfer droht der Traditionsbetrieb Borsig in Tegel zu werden.

In einer Einheit, die vor wenigen Monaten noch nicht möglich erschien, standen die CDU-Bezirksbürgermeisterin von Reinickendorf Wanjura und der PDS-Wirtschaftssenator Gysi Seit an Seit. Keiner nahm Schaden, doch bisher hat die rot-schwarze Eintracht nichts gebracht. Aber das Bezirksamt Reinickendorf wurde vom Wirtschaftssenator gebeten, zu prüfen, ob eine früher genehmigte Umwidmung nicht benötigter Industriefläche von Babcock-Borsig bei einem Wegzug wieder rückgängig gemacht werden könne.

In Berlin sollen nach den derzeitigen Plänen des Unternehmens bis Jahresende rund 150 Beschäftigte ihren Job verlieren, davon knapp 100 auf dem Gelände in Tegel. Unmittelbar gefährdet wäre dann ebenso der Standort Tegel als Ausbildungsstätte, die sich dann ohne Praxisbezug auf den theoretischen Bereich beschränken und damit im luftleeren Raum bewegen würde.

Erklärte Absicht der Konzernleitung von Babcock-Borsig ist es, die Produktion nach Bilbao (Spanien) zu verlagern, wo die Produktionskosten ca. 40% niedriger sein sollen als in Berlin. Fragt sich nur: Mit oder ohne EU-Förderung? Unter solchen Bedingungen helfen auch schwarze Zahlen in der Bilanz von Borsig nichts. Borsig-Betriebsrat und der Berliner Wirtschaftssenator Gysi sind sich einig: dies ist ein unglaublicher Vorgang: Die EU subventioniert nicht neue, sondern die Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Spanien. In Berlin dagegen endet eine große Tradition.

Auch der PDS-Europaabgeordnete Dr. André Brie hat bereits in einem Brief vom 24. Januar 2002 an den EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti sein Unverständnis geäußert und den Erhalt der Arbeitsplätze bei Babcock-Borsig gefordert. Er warf in dem Schreiben ebenfalls die Frage auf, ob es zulässig sei, bei einer reinen Betriebsverlagerung von einem EU-Land in ein anderes solche Beihilfen zu gewähren.

Der Vorsitzende des Borsig-Betriebsrates, Peter Schrader, drückte in einem Gespräch sein Bedauern darüber aus, dass das Berliner Traditionsunternehmen Borsig in den weitreichenden Veränderungsplänen des Konzerns Babcock leider keine große Rolle spielt.

Für die PDS Reinickendorf ist Solidarität mit den Borsig-Werkern das Gebot der Stunde.

Klaus Rathmann,
Bezirksvorsitzender der PDS Reinickendorf