Müllverbrennung in Hennigsdorf?

Wir in Reinickendorf • 06/2002

»Dicke Luft« auch im Berliner Norden

Ein starkes Stück, was die Koalition im benachbarten Bundesland, wohlgemerkt gegen die Stimmen der PDS-Fraktion, den Anwohnerinnen und Anwohnern im Landkreis Oberhavel und dem Berliner Norden zumutet. Angefangen von der Missachtung bestehender Beteiligungsvereinbarungen zwischen Berlin und. Brandenburg, über mangelnde Transparenz im Ausschreibungsverfahren bis hin zur fehlenden Aufklärung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Zugleich bedeutet dies ein Abweichen vom sogenannten Brandenburger Weg, der u. a. eine ökologisch ausgewogene Verfahrensweise favorisiert und auch ermöglichen soll.

Die Einzelverordnete der PDS in der BVV, Renate Herranen, kritisierte völlig zu recht, und fast im Einklang mit SPD, CDU, FDP und den Bündnis90/Grünen (ja, so etwas gibt es!), die Planung eines umweltpolitischen Großprojekts, das in seiner Fragwürdigkeit kaum zu überbieten ist.

Worum geht es? Auf Beschluss der Bundesregierung dürfen ab 2005 Hausmüllabfälle nur noch nach entsprechender Vorbehandlung in Mülldeponien abgelagert werden. die zum Erdreich hin abgeschlossen sind. In Konsequenz dieser Entscheidung beschloss der Kreistag Oberhavel eine Restmüllentsorgungsanlage auszuschreiben. Auf sinnvolle und ggf. planungsrelevante Vorgaben hinsichtlich Standort, Verfahrenstechnik und Kapazität wurde prekärer weise verzichtet. Ende Februar wurde nun der Zuschlag an die Energos GmbH, die eine Restmüll-Verbrennungsanlage (Kraft-Wärme-Kopplung) auf dem Bombardier-Gelände in Hennigsdorf mit einer Kapazität von 80.000 Tonnen Müll jährlich plant, erteilt. Bombardier soll wohl auch der Hauptabnehmer der erzeugten Energie sein.

Fragen über Fragen tun sich auf hinsichtlich der geplanten Verbrennungstechnik, der Kapazitätsausschöpfung, den Standortalternativen, der Luftbelastung, dem absehbarem Mülltourismus, der damit verbunden Lärmbelästigung etc. Dazu kommt, dass der Bezirk Reinickendorf bisher noch keine offizielle Mitteilung erhalten hat. Erste Konsequenz: Die BVV hat am 15. Mai einstimmig den Bau der geplanten MVA in Hennigsdorf abgelehnt und den Berliner Senat aufgefordert, seiner Informationspflicht nachzukommen.

Bürgerinitiativen weisen auf die unmittelbare Nähe des Bombardier-Terrains zu einem Landschaftsschutzgebiet mit Biotopen und seltenen Tierarten hin.

Die PDS setzt sich ein für eine konsequente politische Orientierung auf Müllvermeidungs-, -trennungs- und -sortierungsstrategien. Die thermische Restabfallentsorgung ist ein Verfahren, das unter ökologischen Gesichtspunkten heutzutage nicht mehr angewendet werden sollte. Insbesondere bei neuen Anlagen müsste ein Gutachten, das die Umweltverträglichkeit und die Verfahrenstechnik einer Überprüfung unterzieht in jedem Fall von einer unabhängigen Stelle einge­holt werden.

Jürgen Schimrock