Die Kinder sind sehr besorgt
Wir in Reinickendorf • 02/2003
Im Interview: Julia Schuleri, Vorsitzende des BEA-Kita
WiR:Julia, Du bist Mutter von 3 Kindern (19, 10 u. 9 Jahre), engagierst Dich seit 5 Jahren im Bezirkselternausschuss-Kita. Welche Fragen stellen Deine oder auch andere Kinder zur Zeit?
J. Sch.: Wenn meine jüngeren Kinder mit mir die Tagesschau sehen, entstehen natürlich Fragen im Gespräch: „Warum will Amerika und andere Länder, dass der Irak keine Waffen hat, wo sie doch selber so viele haben?“
Weil sie die Bilder von 11.9.2001 kennen, und einige der Hintergründe, kommt immer wieder die Frage: „Warum soll ein ganzes Land für die Taten Einzelner bestraft werden?“
Diese Frage gab es auch schon während des Krieges gegen Afghanistan. Die Angst, dass ein Krieg sich von Irak bis nach Berlin verlagern könnte, besteht bei den Kindern einfach. Es wird wie einen Klassenstrafe empfunden, die durchgeführt wird, wenn ein Einzelner einen Verstofl gegen Regeln begeht und alle dafür bestraft werden.
Es ist eine Solidarität zu den Kindern in Kriegsgebieten vorhanden, die doch gar nichts dafür können, wenn ihre Eltern etwas machen, was Herrn Bush nicht gefällt. Wie kann man dort einfach Bomben abwerfen?
Ich versuche meine Kinder zur Toleranz zu erziehen. Dass sie andere Sitten, Gebräuche und damit Grenzen anerkennen. Um so mehr stellt sich den Kindern die Frage, warum ein Präsident, der doch schlau sein müsste, damit er gewählt wird, so dumm sein kann, dass er denkt, ein Krieg würde etwas besser machen.
WiR: Setzen sie sich mit dem Thema Krieg auseinander, gibt es eine Altersgrenze?
J. Sch.: Kinder setzten sich mit viel mehr Dingen auseinander, als wir in der Regel merken. Ich denke, das dies jedes Elternteil für sich selbst entscheiden muss, was es den Kindern zumuten kann. Das Alter ist ein schlechter Indikator. Es hat immer etwas mit der Reife der Kinder zu tun und den Gesprächsformen, die man ihnen anbietet. Wichtig ist, dass Signale wahrgenommen werden, wenn Kinder über etwas nicht mehr reden wollen oder können, weil es ihnen zu viel ist. Wenn Kinder lesen können und sich ihre Informationen an jedem Kiosk holen können, sollte man ihnen aber das Gespräch anbieten.
WiR: Waren Gewalt und Krieg Themen in Deiner Erziehung?
J. Sch.: Ja, immer wieder. In einer Welt des Fernsehens, Nintendo und Game Boy begegnet Eltern und Kindern immer wieder „abstrakte Gewalt“. Abstrakt, weil sie nicht selbst haben häufiger Spiele, in denen Gewalt eine Rolle spielt, wo es wichtig ist, stärker zu sein. Aber es kommt die Stufe, auf der das Wissen um die eigenen Stärken wichtig ist. Aber sie müssen nicht mehr dauernd vorgeführt werden. Trotzdem gibt es in der Schule und im Hort immer wieder „Hahnenkämpfe“ um die Rangordnung untereinander.
Das Interview führte
Renate Herranen