Vom Landesparteitag
Wir in Reinickendorf • 03/2003

Bestätigung der politischen Linie und viel Kritik

Protest: Kein »Weiter so!« aus Reinickendorf

Am 22. und 23. Februar 2003 fand ein Parteitag des Landesverbandes Berlin der PDS statt. Auf der Tagesordnung standen u. a. die Themen »Ein Jahr Rot–Rot, Bilanz und Perspektiven«, »Trennung von Amt und Mandat« und »Für ein weltoffenes und tolerantes Berlin...«.

Aktuell und vor der eigentlichen Tagesordnung wurde die Resolution »Kein Krieg gegen den Irak« vom Parteitag einstimmig verabschiedet!

Der Bezirksvorstand der PDS Reinickendorf hatte zum Leitantrag des Landesvorstandes, unter der Überschrift »Der eingeleitete Politikwechsel muss weiter gehen – sozial gerecht!«, einen Ersetzungsantrag bzw. Ergänzungsanträge gestellt.

Zu wenig selbstkritisch erschien die Darstellung der bisherigen politischen Arbeit der Berliner PDS in Regierungs(mit)verantwortung, zu ungenau die politische Linie des Leitantrages. Die konstruktive Kritik aus Reinickendorf wurde von Renate Herranen, Klaus Rathmann und Jürgen Schimrock in ihren Redebeiträgen begründet und soll in den folgenden Beiträgen in der gegebenen Kürze dargestellt werden.

Horst Jusch

Ein Jahr Rot-Rot

Eigentlich hatten wir sogar beantragt, das Thema von der Tagesordnung zu streichen. Wir waren der Ansicht, dass die Bilanz, oder besser Tätigkeitsbericht, den Delegierten zu spät vorgelegen hatte und eine fundierte Stellungnahme zu vielen Themen aufgrund der kurzen Zeit kaum möglich war. Die Mehrheit des Parteitages war anderer Meinung und so wurde dann »bilanziert«.

Warum ein Ersetzungsantrag aus Reinickendorf? Nach einem Jahr Rot-Rot fragten wir: »Was hat sich seither getan? Viele Fragen stellen sich. Und ich glaube, wir haben immer noch nicht genügend Antworten gefunden. Der Leitantrag des Landesvorstandes ist uns einfach nicht kritisch, oder besser: selbstkritisch genug. Es ist wohl zu einfach zu sagen, der Rücktritt von Gregor Gysi sowie die Niederlage der PDS bei den Bundestagswahlen und die Kontroversen auf dem Geraer Parteitag hätten die Position der Berliner PDS geschwächt. Gab es nicht einen eigenen Anteil daran?!

Wir machen uns Sorgen um unsere Glaubwürdigkeit. Die Menschen auch in Reinickendorf sagen: die PDS macht ja auch nichts anderes als andere Parteien.«

Wir sehen, es »wurde und wird über die Risikoabschirmung der Bankgesellschaft gesprochen. Ja, es ist auch wahr, dass unter PDS-Verantwortung öffentliche Bibliotheken, Schwimmbäder und Sportstätten geschlossen werden mussten. Ebenso schlimm ist es auch, dass Dutzende Projekte der Kinder- und Jugendarbeit vor dem Aus stehen.... Aber wir wollten das doch anders machen!...«

Die Frage stellt sich natürlich: »Ist es für eine demokratisch-sozialistische Partei oberste Priorität, den Haushalt zu sanieren?« Hinsichtlich der »Solidarpaktverhandlungen haben wir die Befürchtung, dass der Austritt aus dem kommunalen Arbeitgeberverband uns wieder auf die Füße fallen wird.«

Um so wichtiger für uns: »Wir sollten uns in einem Jahr wieder darüber beraten, ob und wie wir vorangekommen sind.«

Klaus Rathmann


Pisa-Studie ernst nehmen!

»Konsequenzen nach PISA neue Akzente für ein neues Berliner Schulgesetz., so lautet der Titel eines Diskussionspapiers der PDS-Fraktion aus dem Sommer 2002. Die dort formulierten Positionen haben weiterhin Gültigkeit. Sie konnten fast alle nicht im neuen Schulgesetz verankert werden.«

»Nicht die Festlegungen der Koalitionsvereinbarung interessiert die Öffentlichkeit, sondern die Fragen, die in der Auswertung der PISA Studie auf den Tisch gelegt wurden.« Kern meiner Kritik war, dass »unter Ausschluss der Öffentlichkeit ...ein Jahr lang um eine neue Ausrichtung des Gesetzes gerungen (wurde), ohne dass die PDS sich erkennbar einbringen konnte.« So wird es für die »PDS keine Möglichkeit geben als fortschrittliche Partei, die für soziale Gerechtigkeit auch und gerade im Bereich der Bildung antritt, sich darzustellen, wenn dieses Gesetz seine prägende Wirkung entfalten kann...« Hier muss ein Umdenken erfolgen, denn »die PDS hat durch das Votum der Wähler einen Auftrag und eine Kraft zur Umsetzung ihrer Positionen erhalten.« Dafür streite ich weiterhin.

Renate Herranen


Projekte gemeinsam umsetzen

»Der Bezirksvorstand Reinickendorf hat sich in der Vergangenheit deutlich und mit gutem Grund für die Einrichtung von Projektgruppen ausgesprochen und sieht darin die Chance, sozialistische Politikansätze herauszuarbeiten und innerhalb der Gesellschaft deutlich zu machen.« So waren wir froh, dass ein entsprechender  Ergänzungsantrag in den Leitantrag des Landesvorstandes eingearbeitet wurde. Dieser hatte die Einrichtung solcher Projektgruppen zu einigen Politikfeldern, in denen die PDS mehr Profil entwickeln sollte, beschlossen.

Nicht nur ich vertrete die Meinung, »dass es richtig ist, interessierte Menschen von Anfang an in die Diskussionen einzubeziehen, unabhängig von ihrem jeweiligen politischen Hintergrund, dass eine PDS-Linie...erst im Dialog, im Streit um politische Positionen erarbeitet wird. Ergebnisse der Projektgruppen können und sollten dann deutlich und offensiv vom Landesvorstand als PDS-Politik vertreten werden... Die ersten Diskussionsvorlagen sind im Umlauf und wir sind sicher, dass am Ende des Streitens um Positionen und der Diskussion ein Ergebnis stehen wird... nur so kann es gehen.« 

Jürgen Schimrock