GEGEN DEN KRIEG
Wir in Reinickendorf • 04/2003
Warum?
Eindrücke von der »Mahnwache gegen den Krieg«
Eine Frau mit einem ca. vierjährigen Kind steuerte zielbewusst auf mich zu und bedankte sich ausdrücklich für die Mahnwache gegen Krieg und für Frieden. Sie sagte: »So wie Ihr müssten eigentlich alle Menschen denken und handeln.«
Ihr kleiner Sohn schielte etwas ängstlich aber doch sehr neugierig auf die Luftballons, die ich in der Hand hielt. Ich gab ihm einen und er lächelte zufrieden. Auf seine Frage, was denn das für ein Vogel auf dem Ballon sei, antwortete ich: »Eine Friedenstaube.« Er schaute mich verständnislos an und fragte. »Was ist Frieden?« Ich entschied mich ihm zu erklären, dass es Menschen gibt, die anderen Menschen weh tun, sie sogar töten. Der kleine Junge schaute mich traurig an und fragte: »Warum tun die denn das?«
Klaus Rathmann
US-Bürger?
Leider!
Während der Mahnwache gesellte sich zu uns ein weiterer Demonstrant. Er trug ein Schild, das die Distanzierung von US-Kriegstreibern forderte. Dieses Schild blieb nicht ohne Reaktion, verlangte es doch eine deutliche Abkehr von den USA. Einer der Passanten wies darauf und meinte, das sei nicht in Ordnung. Unser Bekenntnis zu einem friedlichen »Alten Europa« dagegen gefiel ihm. Seine Aussprache veranlasste mich zu der neugierigen Frage: »Sind Sie US-Bürger?« »In diesem Falle: leider!« war seine deprimierte Antwort.
Robert Scholz
Vor der Julius-Leber-Kaserne, Kurt-Schumacher-Damm
Militarisierung der EU?
Im Interview: Hans-Peter Richter
Wie schätzt Du den Einfluss friedensbewegter Menschen derzeit auf die deutsche Politik ein?
Je länger die Proteste andauern, umso größer wird die Wirkung auch bei der Regierung sein. Gerade „Medienkanzler" Schröder kann es sich nicht leisten, auf lange Sicht 80% der Bevölkerung gegen sich zu haben. Bisher hat es die Regierung aber geschickt verstanden, es so darzustellen, als seien die Demonstrationen eine Unterstützung für die deutsche Regierung. Doch hatte die Friedensbewegung schon lange Forderungen an die Regierung, die aber in den Medien und auch bei der Demo am 15.2. nicht erwähnt wurden, z.B. die Verweigerung der Überflugrechte. Zunehmend kommt aber die Forderung, jede (auch passive) Kriegsbeteiligung einzustellen, in der Öffentlichkeit an und das hat seine Wirkung. Wir beobachten zur Zeit, wie in dieser Frage ein Riss durch SPD und Grüne geht.
"Nach dem Krieg", welche Perspektive hat die Friedensbewegung in Deutschland, Europa und der Welt?
Durch die internationale Vemetzung haben wir heute bessere Informationen und können schnell Verabredungen treffen, z. B. für weltweite Aktionstage wie den 15. Februar. Der nächste ist am 12. April. Da ist etwas ganz Neues entstanden. Zum ersten mal in der Geschichte waren schon Millionen von Menschen auf der Straße, bevor der Krieg in seine heiße Phase kam. Wenn es diesmal auch noch nicht gelungen ist, den Krieg zu verhindern - es wird in der Zukunft klappen. Das weltweite Anti-Kriegs-Netzwerk wird sich auch für gezielte Boykott-Aktionen verabreden. Das nächste Welttreffen ist im Rahmen der Vorbereitung für das nächste Europäische Sozialforum am 25. April in Berlin.
J. Fscher und nun auch G. Schröder plädieren dafür, dass sich die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik ändern muss. Bedeutet das eine verstärkte europäische Aufrüstung?
Ja, genau das ist zu befürchten. Schon ist ja die Militarisierung der EU mit einer Eingreiftruppe von 60.000 Mann beschlossen, bei der Deutschland den größten Anteil (18.000 Mann) stellen soll. Eine wirkliche Friedenspolitik ist nicht in Sicht. Die Friedensbewegung ist also weiterhin dringend nötig.
Das Interwiew führte Jürgen Schimrock
Hans-Peter Richter ist Mitglied des Deutschen Friedensrates und lebt in Reinickendorf.