„Sie wollten etwas, was es nirgends auf der Welt gibt.“*

Wir in Reinickendorf • 05/2003

Zum Marsch der Hennigsdorfer am 17. Juni 1953

Am Morgen des 17. Juni 1953 bewegten sich große Demonstrationen in die Berliner Innenstadt. Eine Marschkolonne bewegte sich misstrauisch beäugt durch die französische Besatzungsmacht von Hennigsdorf durch den Bezirk Reinickendorf. Die demonstrierenden Arbeiterinnen und Arbeiter machten allen politisch Verantwortlichen im Osten wie im Westen der Stadt klar, dass die Streikbewegungen der Vortage endgültig in eine politische Erhebung übergegangen waren.

Die Demonstranten aus Hennigsdorf machten drastisch klar, wie verhasst ihnen die Staatspartei SED war. Wer sich ihnen in den Weg stellen wollte, den schlugen sie blutig, drohten ihn in der Havel zu ersäufen. Das alles war Ausdruck von fehlenden Zielen, bereitete den Weg in die Tragödie. Walter Ulbricht, den sie stürzen wollten, wurde durch den 17. Juni für die Sowjetunion unverzichtbar.

Die Beobachter im Westen wollten den „Elendsmarsch“ der Hennigsdorfer, deren Holzpantinen auf dem Pflaster der Reinickendorfer Straßen klapperten, mit dem Wunsch nach Einheit und Freiheit für sich sprechen lassen. Andere wie der sozialistische Gewerkschafter Heinz Brandt wurden nicht müde, in den Demonstrationen den selbstbewussten Willen zu einem wirklichen Sozialismus zu erkennen: demokratisch, human und mit einem würdigen Leben.

Die Streikenden des 17. Juni 1953 gehören in die deutsche und europäische Tradition der Erhebungen der Unterdrückten – im Kapitalismus wie im real existierenden Sozialismus des 20. Jahrhunderts. Der Wunsch nach dem guten Leben ist lebendig, den Hennigsdorfern und all den anderen zur Ehre!

Robert Scholz

* Zitat von Walter Ulbricht