Am Rande
Wir in Reinickendorf • 08/2003
Ein spezieller Beitrag zum „Jahr der Behinderten“
Im Rat der Bürgermeister sprach sich Bezirksbürgermeisterin Wanjura dafür aus, neue Gaststättenbetreiber zu „entlasten“, ihnen mehr „Entscheidungsfreiheit“ zu gewähren. Konkret stellte sie den Antrag, dass die sog. Barrierefreiheit, die im „Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen“ festgeschrieben ist, bei einem Betreiberwechsel nicht unbedingt zu garantiert werden braucht. Ein entsprechend notwendiger Umbau soll von den Wirtschaftsämtern zwar empfohlen werden, die Entscheidung darüber den Gastwirten aber freigestellt sein. So wird also die Umsetzung eines Gesetzes, das behinderten Menschen mehr Rechte und Lebensqualität sichern soll, abhängig von der Gewinnerwartung der Gewerbetreibenden.
Frau Wanjura kann es nicht deutlicher machen, wo ihre Präferenzen liegen. Grotesk: Fast wäre sie sogar Behindertenbeauftragte des Bezirkes geworden! Die Stellvertretende Landesvorsitzende der CDU hält sich an die Maxime ihrer Partei „Geht es der Wirtschaft gut, geht es auch den Menschen gut.“ Ist es nicht an der Zeit, dieses Primat endlich umzukehren?
Manchmal, z. B. in der BVV - s. Artikel - schlägt das soziale Herz der gelernten Krankenschwester, kommt unsere Bürgermeisterin zu treffenden Wertungen. Da geht es ja auch gegen den politischen Gegner und dessen erfolglose Konzepte. Durch die Kosten-Brille betrachtet, ist dies nicht einmal ein Widerspruch.
Nein, Frau Wanjura, Sie müssen sich schon entscheiden: Halten Sie es mit der katholischen Sozialethik oder doch mit dem zwar modernen, aber zutiefst unmenschlichen Raubtierkapitalismus?
Jürgen Schimrock