Aus dem Rathaus
Wir in Reinickendorf • 9/2003
Kindertagesstätten sind Bildungseinrichtungen!
Umsetzung des Tarifvertrages und Kitabeitragserhöhungen konterkarieren die Koalitionsvereinbarung
„Der Senat wird die Kitas als Bildungs- und Erziehungseinrichtung weiter entwickeln und die begonnene Qualitätsoffensive fortführen. Kitas sind eigenständige Lebens- und Lernorte für Kinder, in denen die Erziehung in der Familie unterstützt und ergänzt wird. Es sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, dass jedes Kind möglichst frühzeitig einen Kindergarten besuchen kann und dort verlässliche Rahmenbedingungen vorfindet.“
Die Realität allerdings sieht anders aus!
Erzieher/innen in den „Bildungseinrichtungen“ erhalten ab dem 1. August 2003 nicht nur 10 Prozent weniger Gehalt. Sie erkaufen sich gleichzeitig 10 Prozent weniger Arbeitszeit. Weniger gearbeitet werden darf aber nur auf Antrag, und das ohne ausreichenden Personalausgleich. Während nun alle Angestellten und Arbeiter/ innen 37 Stunden in der Woche arbeiten, müssen die Erzieher/innen 38 Stunden arbeiten. Dadurch „sparen“ sie jährlich ca. 25 Tage Zeitguthaben an. Das sind auf das Land Berlin hochgerechnet ca. 800 Stellen, die in den Kitas fehlen werden. Nur 314 Stellen sollen neu besetzt werden.
Kitas sind die erste Stufe des staatlichen Bildungssystems. Alle Bemühungen, die Arbeit in den Kitas qualitativ zu verbessern, sind zu unterstützen. Das Verfassen von „Bildungsplänen“, verteilen von „Sprachkoffern“ und die Entwicklung von Materialien zur Sprachentwicklung der Kinder reicht jedoch nicht aus, wenn in den Kitas durch schlechtere Personalausstattung als bisher die Möglichkeit zur Umsetzung genommen wird.
Die Kitakosten-Erhöhung setzt dem Ganzen die Krone auf. So werden Krippenkinder in die „billigere“ Tagespflege und Hortkinder auf die Strasse gedrängt. Der oft zitierte Vergleich mit Hamburg hinkt. Dort zahlen Eltern mit wenig Einkommen niedrigere Kitabeiträge als in Berlin. Dort werden nicht die Brutto-, sondern die Nettoeinkommen zur Berechnung herangezogen.
Kitas als Bildungseinrichtung, nicht nur als „Lippenbekenntnis“. Dafür setze ich mich ein. Wer die frühkindliche Bildung und Erziehung vernachlässigt, darf sich über Pisa-Studien nicht wundern.
Renate Herranen