Gerecht geht anders
Wir in Reinickendorf • 11/2003
Armutszeugnis: Agenda 2010 verschärft Kinderarmut
Die geplanten Leistungskürzungen durch die Agenda 2010 werden nach Studien des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und des Kinderschutzbundes die Armut in Deutschland massiv verschärfen. Die Organisationen warnen vor „dramatischen Folgen des Sozialabbaus für Kinder. Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe werde jedes zehnte Kind unter die Armutsgrenze fallen. Die Agenda 2010 ist der massivste sozialpolitische Einschnitt seit Bestehen der Bundesrepublik. Es ist faktisch ein sozialpolitischer Kahlschlag für einen bestimmten Personenkreis.“
Jedes zehnte Kind, so eine Studie der Verbände, wird arm sein. 1,5 Millionen Jungen und Mädchen - statt bisher eine Million - müssen dann auf Sozialhilfeniveau leben. Aber die SPD-Fraktion weist die Kritik zurück. Klaus Brandner, wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Sprecher SPD-Fraktion: „Es gibt bei der Wachstumsschwäche nicht einfach nur mehr zu verteilen, sondern wir müssen von den passiven Aktivitäten, also von den reinen Unterstützungsleistungen, mehr weg zu den aktiven Maßnahmen.“
Aber sie verteilen doch. Was anders waren denn Steuerbefreiung der Großindustrie, Steuergeschenke an die Reichen, Wegfall der Vermögenssteuer? Sie verteilen um - von unten nach oben.
Die (Kinder-)Armut in der Bundesrepublik als Folge der neoliberalen Umstrukturierung fast aller Lebensbereiche hat ihr Gegenstück. Das ist der in wenigen Händen konzentrierte immer größere Reichtum. In einem wohlhabenden Land wie der Bundesrepublik ist Kinderarmut ein Armutszeugnis für die Sozialpolitik. Besonders (allein erziehende) Frauen gehören zu den Hauptleidtragenden fast aller Leistungskürzungen in den Hartz-Gesetzen, in Bundeskanzler Gerhard Schröders Agenda 2010 und den Konzepten der Rürup-Kommission. Das dürfte das Problem der Kinderarmut noch verschärfen.
Gebraucht wird eine integrale Beschäftigungs, Bildungs-, Familienund Sozialpolitik, die Maßnahmen zur Umverteilung von Arbeit, Einkommen und Vermögen einschließt. Nötig wäre die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, um damit Präventionsprogramme zu finanzieren.
Renate Herranen