Nur außen fehlt die Farbe

Wir in Reinickendorf • 11/2005

Villa Kunterbunt: Selbstverwaltetes Jugendzentrum in der Thurgauer Straße

"„Diese Welt ist ein Irrenhaus... und hier ist die Zentrale“" - mit diesem Zitat einer Rockband kündet sich die Villa Kunterbunt auf einem Plakat an. Wer da nicht neugierig wird! Dabei ist das kleine Gebäude in der Reinickendorfer Thurgauer Straße alles andere als bunt. Es ist unscheinbar grau und verschwindet fast neben dem benachbarten „"Fuchsbau"“, dem Haus der Jugend. Bunt soll es erst werden, wünschen sich die drei jungen Leute, die im Frühjahr eine Nutzungsvereinbarung mit dem Jugendstadtrat des Bezirkes abgeschlossen haben.

Ausgerechnet am 1. April. Das war kein Scherz, sondern eine ziemliche Herausforderung für die drei: Silvia Hable, Nicole Hahl und Wanja Borchert. Der Bezirk zahlt nur die Betriebskosten, für alles andere sind sie verantwortlich. Sie haben inzwischen einiges auf die Beine gestellt. Jeden Freitag ab 20 Uhr ist geöffnet, die Programme wechseln. Am ersten Freitag im Monat gibt es eine Akustik-Session mit Gitarre, Baß und Trommel, dann einen Spieleabend, an dem besonders der im Fühjahr angeschaffte Kicker für Tischfußball umlagert ist, im Keller steht auch eine Tischtennisplatte, selbstgebaut. Es folgt ein Kinoabend, an dem ausgewählte Filme gezeigt und diskutiert werden, „"Big one"“ vom Dokumentarfilmer Michael Moore oder „"Uhrwerk Orange"“ von Stanley Kubrik. Am vierten Freitag wird’s dann ein bißchen lauter, Jam-Session mit Verstärker. Glücklicherweise gibt es keine unmittelbaren Nachbarn.

Und wer mit leerem Magen kommt, muß nicht den ganzen Abend hungrig bleiben. In der Küche werden vegetarische Gerichte gebruzzelt. Für 1,50 Euro kann man Makkaroni mit scharfer Tomatensauce oder andere leckere Dinge haben, dazu Cola, Wasser, Tee und, wer über 18 ist, sogar ein Bier trinken.

Viel ist noch geplant: eine kleine Werkstatt für Heimwerker und Fahrradreparaturen,ein Jonglier- Workshop, den Silvia betreut, die gerade ein soziales Jahr beim Kinderzirkus „"Cabuwazi“" leistet.

Jeden zweiten und vierten Sonntag ist Wanja Borchert in seinem Element. Beim Musik-Workshop ab 16 Uhr stehen Gitarre, Baß und Schlagzeug bereit. Wanja hat viele Jahre Musik gemacht, angefangen hat er zu Beginn der neunziger Jahre als Punker mit witziger Irokesenfrisur in einer Drei-Mann-Band, die sich "„Die Bierprolls"“ nannte. Dort war er Sänger und Bassist, später spielte er fünf Jahre lang in einer anderen Band. Und jetzt versucht er eben, seine Begeisterung an andere weiterzugeben.

Um alles zu schaffen, was sie sich vorgenommen haben, müßte der Tag 48 Stunden lang sein. Die Arbeit in der Villa Kunterbunt ist natürlich für ihn und seine beiden Mitstreiterinnen ehrenamtlich. Alle drei sind in der Ausbildung. Nicole studiert Verwaltungswirtschaft. Silvia und Wanja sind Azubis.

Und wenn in nicht allzuferner Zeit an einem Serviceschalter bei der Bahn ein freundlicher junger Mann sachkundig Auskunft gibt, könnte es Wanja sein. Er macht nämlich eine Ausbildung zum Kaufmann für Verkehrsservice.

E.Schroth