Hermsdorfer wollen ihre Bibliothek behalten
Wir in Reinickendorf • 12/2005
Bürgerversammlung mit Alternativen zur Schließung, aber Dr. Gaudszun scheint nicht interessiert
Nach Pisa-Schock und heftigen Diskussionen über Pädagogik und Schulpolitik der Kultusministerien in den letzten Jahren sollte man meinen, dass gerade jetzt in der Kulturund Bildungspolitik mehr getan werden müsse. Tatsache jedoch ist, mit der Schließung der Stadtteilbibliothek Hermsdorf im Falkentaler Steig geschieht in Reinickendorf zurzeit Gegenteiliges.
Wegen dieser Entscheidung fand unter der Teilnahme des zuständigen Kulturstadtrates Dr. Thomas Gaudszun (SPD) ein Treffen statt, wo er etwa 150 interessierten Bürgern Rede und Antwort stand.
Der Beschluss zur Schließung der Stadtteilbibliothek stammt bereits aus dem Jahr 2002. Einsparung: 200.000 Euro pro Jahr. Bei einem anvisierten Sparbetrag von 440.000 Euro für den Haushaltsplan 2006/07 fast die Hälfte der Sparrate. Begründet wurde diese Entscheidung auch damit, dass die Stadtteilbibliothek in Hermsdorf im Vergleich zu anderen Reinickendorfer Bibliotheken die geringsten Besucher- und Ausleihzahlen aufweise. Tatsächlich zählte die Stadtbibliothek Hermsdorf im Jahr 2004 zwar „nur“ 10.000 Besucher, gleichzeitig aber 47.000 Ausleihen. Andere Reinickendorfer Bibliotheken weisen im Durchschnitt weitaus geringere Ausleihen pro Besucher auf. Wegen der sozial schwierigen Lage „kann ich aber keine Stadtbibliothek in Reinickendorf-West oder -Ost schließen“, so Stadtrat Gaudszun.
Mit der Schließung wird vor allem den Kindern, Jugendlichen und Senioren zugemutet, auf andere Bibliotheken auszuweichen, die allerdings nur mit Bus oder Bahn erreichbar sind.
Bürger fordern Zeit für öffentliche Meinungsbildung
Dr. Gaudszun schlug keine Alternativen zwecks Erhaltung der Bibliothek vor und er nahm auch keine Vorschläge an. Wie es funktionieren könnte, zeigt zum Beispiel die „Nachbarschaftsbibliothek Französisch Buchholz“. Dort konnte die Stadtteilbibliothek durch die Mitwirkung 15 ehrenamtlicher „Bibliothekare“ gerettet werden. Eine weitere Alternative würde auch die Aufteilung des Bestandes bieten, wie es in Blankenburg geschehen ist. Dort wurden die Kinder- und Jugendbücher der dortigen Schulbibliothek und die Erwachsenen-Bücher an eine Pflegestiftung übergeben und man konnte auf Ausweichmöglichkeiten auf umliegende Bibliotheken absehen.
Auf den Vorschlag des Vorsitzenden der Linkspartei.PDS Klaus Rathmann, ein Bürgerbegehren für den Erhalt der Stadtbibliothek zu initiieren, fordern die Bürger nun mehr Zeit, um einen Förderverein gründen zu können. Zeit, die Herr Gaudszun anscheinend nicht hat. Macht ja nichts, Pisa kommt ja wieder - schon im kommenden Jahr!
Yusuf Dogan