„...als Laubfeger bewerben?“
Wir in Reinickendorf • 2/2005
Hartz IV: Keine Perspektive für Erwerbslose
Das Wetter passte zur Stimmung und zur Situation der Passanten, die am Dienstag Vormittag vor der Arbeitsagentur an der Reinickendorfer Mühle in Tegel anzutreffen waren: es regnete. Die PDS Reinickendorf verteilte Flugblätter zur Verfassungswidrigkeit von „Hartz IV“ und erfragte erste Erfahrungen von Alg-II-Empfängern mit dem neuen Gesetz. Diese individuell doch verschieden, hatten sie eines gemeinsam: Die Hoffnung auf eine Erwerbstätigkeit mit guter finanzieller Perspektive hatte niemand!
Ein Pärchen aus der Residenzstraße:
„Das Geld reicht hinten und vorne nicht, mit Hartz IV tritt deutliche Verschlechterung ein. Haben große Sorgen um die Zukunft unserer Tochter, obwohl wir versuchen, ihr alles zu ermöglichen, was sie braucht. Ohne Unterstützung der eigenen Eltern ginge gar nichts mehr. Mussten auf Anweisung der Arbeitsagentur zwei BVG-Sozialtickets erwerben, um unsere Mobilität für Bewerbungen nachzuweisen. Dabei bemühen wir uns seit Jahren, Jobs zu finden. Unsere Sorgen und Probleme interessieren hier nicht wirklich jemanden.“
Ein Pärchen aus dem MV:
Sie: „Ich bekomme jetzt monatlich 200.- Euro mehr als bisher, da ich nach meiner Ausbildung keine Berufserfahrung sammeln konnte, Sozialhife bezogen habe und immer nur in neue Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen gesteckt wurde. Jobangebote gab es nie. Eine berufliche Perspektive habe ich allerdings auch heute nicht. Bin aber mit den bisherigen Maßnahmen der Agentur für Arbeit zufrieden.“
Er: „Ich war in den letzten Jahren in verschiedenen AB-Maßnahmen, eine Chance auf eine feste Arbeitsstelle hatte ich nie. Die Bezahlung ist für mich Ausbeutung. Bin für 700.- Euro netto im Monat täglich ca. 12 Stunden unterwegs. 1-Euro-Jobs sind kein Fortschritt. Soll ich mich denn als Laubfeger bewerben? Ein Witz!“
Eine Dame, ca. 55 Jahre:
„Ich bin seit sechs Wochen krank und bekomme nun kein Al-Geld mehr. Habe mich aus Unkenntnis zu spät gemeldet. Muss nun einen neuen Antrag stellen. Bin seit 2001 als Kita-Vorklassenleiterin arbeitslos, alle eigenen Bemühungen waren erfolglos, Stellenangebote gab es vom AA nicht.“
Herr M. aus Reinickendorf:
„Ich bin seit 1999 arbeitslos und habe keine Perspektive mehr. Meine Bewerbungen waren, in der Regel auf Grund meines Alters, erfolglos. Vom Arbeitsamt gab es keine Angebote. Auch nach einer Qualifizierungsmaßnahme habe ich keine Chance – nun wegen mangelnder Berufserfahrung. Ein Teufelskreis. Habe mit meiner Frau nun mehr als 600.- Euro mtl. weniger und gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt. Ganz sicher: Die Schwarzarbeit wird noch steigen.“
Eine Dame, 57 Jahre:
Ich habe keine Illusion mehr, einen Job zu bekommen. Habe die Auflage, mich alle 6 Monate bei der Arbeitsagentur zu melden und erfülle so meine formale Pflicht. Angebote gibt’s für mich (Finanzbuchhalterin) nicht. Ich erhalte nun 200.- Euro weniger im Monat und musste wegen zu hoher Miete schon die Wohnung wechseln. Ich plädiere für eine ehrliche Statistik – dann hätten wir heute nämlich ca. 7 Millionen Erwerbslose.“
Ein Herr, 50 Jahre:
„Bin als Elektriker seit zwei Jahren arbeitslos und warte schon eine Stunde, um ergänzende Unterlagen zum Antrag abzugeben. Diese fehlen, weil ich keine ausreichenden Informationen erhalten habe.“
Ein Herr, 45 Jahre:
„Habe wegen falscher Kontoangaben durch die AA im Januar kein Geld erhalten. Das soll heute geklärt werden, das Geld soll in der nächsten Woche auf dem Konto sein.
Herr R., 53 Jahre:
„Ich fühle mich beschissen. Es wird faktisch nur gefordert und kaum gefördert. Es gibt doch keinen wirklichen Arbeitsmarkt mit ausreichend Stellen. Wohin kann ich also vermittelt werden? Soll ein Mensch wirklich von ca. 8.- Euro täglich leben? Mich macht diese unsoziale und ungerechte Entwicklung sehr wütend“