Stillstand oder mehr Demokratie für mündige Bürger?

Wir in Reinickendorf • 4/2005

SPD, PDS, Bündnis 90/Die Grünen und FDP haben gemeinsam am 24. Februar 2005 zwei Gesetzesanträge ins Abgeordnetenhaus über die Einführung von bezirklichen Bürgerentscheiden, über erweiterte Informationsrechte für die Bevölkerung (Unterrichtungspflicht durch das Bezirksamt, Einwohnerversammlung, Einwohnerfragestunde, Einwohnerantrag) und über erweiterte Rechte der BVV eingebracht. Damit geht Berlin als letztes Bundesland den Weg zur direkten Demokratie auf kommunaler Ebene.

Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes ein „Fan“ von mehr demokratischer Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in Berlin. Daher begrüße ich die Gesetzesinitiative der vier Fraktionen im Abgeordnetenhaus ausdrücklich. Als Vorsitzender der Reinickendorfer PDS, aber auch als Bürger des Bezirkes interessiert mich natürlich, wie unsere Kommunalpolitiker darüber denken. Deshalb fragte ich am 9. März 2005, im Rahmen der Bürgersprechstunde der BVV, nach.

Um es deutlich zu sagen: Die Argumente unserer Bezirksbürgermeisterin, Frau Wanjura, dass ein Recht auf Bürgerbegehren und Bürgerentscheide die Arbeit des Bezirksamtes nur verzögern und dadurch höhere Hürden im parlamentarischen Verfahren aufgebaut würden, teile ich nicht. Wenn der Fraktionsvorsitzende der „Bürgerpartei Reinickendorfs“ CDU, Schultze-Berndt, darin sogar die Gefahr sieht, dass mit einem solchen Mehr an Mitbestimmung Demokratie erkauft werden solle, macht mich das sehr nachdenklich.

Was spricht denn wirklich dagegen, Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger in ihren Bezirken zu stärken? Wer, wenn nicht der betroffene Bürger selbst, muss mit den politischen Entscheidungen der BVVen leben? Nimmt die Politik die Bürgerinnen und Bürger ernst oder versucht man, ihnen wiederum die Mündigkeit abzusprechen?

Bezeichnend war auch, wie der anschließenden Debatte zu entnehmen war, dass die CDU im Ältestenrat der BVV versucht hat, mit dem Griff in die verfahrenstechnische Trickkiste, meine Frage nicht zuzulassen. Das ging gründlich daneben und ich begrüße dies ausdrücklich. Wohltuend empfinde ich die Aussagen der anderen in der BVV vertretenen Parteien zum Ausbau der Bürgerbeteiligung.

Resümierend stelle ich fest: Verantwortungsvoll ist Politik nur, wenn Bürgerinnen und Bürger in die sie betreffenden Entscheidungen einbezogen werden.

Klaus Rathmann