Untergang des Abendlandes?

Wir in Reinickendorf • 8/2005

MdA Wolfgang Brauer über Reinickendorfer Kultur - und über eine BVV-Debatte um den Werte-Unterricht

Als kulturpolitischer Sprecher der PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus ist es mir wichtig, "„vor Ort“" zu sehen, wie die Situation in den Bezirken ist, wie sich Landespolitik dort auswirkt – und ich finde es wichtig zu sehen, wie die PDS gerade in den Westbezirken funktioniert. Dankbar bin ich dem Reinickendorfer Kulturstadtrat Thomas Gaudszun (SPD) für das sehr informative und offene Gespräch, das wir führen konnten.

Es war aufschlussreich zu sehen, wie der Bezirk angesichts immer knapper werdender Kassen um die Bewahrung einer kulturellen Grundstruktur ringt: in erster Linie das Bibliotheksnetz und die im Gegensatz zu den meisten anderen Bezirken dezentral arbeitende Musikschule. Ich glaube, hier sollte auch die Reinickendorfer PDS, die hoffentlich in der nächsten BVV wieder vertreten sein wird, sehr aufmerksam sein.

Eine Perle...

Wunderbar auch die Begegnung mit der Leiterin des Heimatmuseums, Cornelia Gerner. Das Museum ist eine Perle –und die Sonderausstellung "„Berliner Schnitzel“" anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung verlohnt Besuch und Auseinandersetzung.

Der freundliche Empfang in der BVV hat mich berührt - die rüde Keilerei zwischen den Bezirksverordneten und die ungehobelten Hiebe auf den nicht anwesenden Senat (ein eklatanter Widerspruch zum kulturvollen Reinickendorf, das ich tagsüber erleben konnte) war eher abschreckend. Daß Baustadtrat Wegner ein arroganter Politiker ist, weiß ich durch seine Auftritte im Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses. Ich wundere mich aber, dass sich Bezirksverordnete so etwas bieten lassen. Und verwunderlich auch, dass eine BVV, die Anlaß hat, sich um die Probleme des Bezirkes zu kümmern (ein bissel schimmerte im Zusammenhang mit der Schulhortdebatte ja durch), den halben Abend Zeit nimmt, um ein Thema zu debattieren, auf das sie nun weiß Gott keinen Einfluß hat: Die geplante Einführung eines neuen Wertefaches an den Schulen. Das ist nun wirklich Sache von Senat und Abgeordnetenhaus.

...und ein Erlebnis der besonderen Art

Die Bürgermeisterin aber dazu reden zu hören, war schon ein Erlebnis: Salbungsvoll wurde der Untergang des Abendlandes beschworen. Orientierungslose Eltern (warum lassen die Reinickendorfer Familien sich solche Unterstellungen gefallen?) und ein wertevergessener Staat (Wer schenkt Frau Wanjura je ein Exemplar von Grundgesetz, Landesverfassung und Berliner Schulgesetz?) seien de facto Helfershelfer einer schon immer gottlosen PDS. Und die SPD treibe -– wie schon in der DDR ?! -– die Religion aus der Schule.

Mich hat das ziemlich sprachlos gemacht, diese Mischung aus Papst Benedikt und Günter Schabowski zu DDR-Zeiten. Nun gut, es ist Wahlkampf und Ende September ist das hoffentlich vorbei –und dann komme ich gerne noch einmal.