Armut & Klima
Wir in Reinickendorf • 05/2007

Über Armut und Veränderung

von Pfarrerin Annemarie Werner

Der Ursprung aller (guten) Ordnung ist die Revolution. Keinen Staat und keine Kirche gibt es, die nicht aus einer Revolution stammen. Und doch sind die Erben der Revolution zumeist die Feinde der Revolutionäre, jedenfalls aller künftigen. Die Angst der Machthaber versucht in ihnen die Keime der Zukunft auszurotten. Der Glaube (das Vertrauen) der Revolutionäre riskiert etwas Besseres.

Biblisch heißt die Trennung von bestehender und künftiger (veränderter) Ordnung: Königtum und Prophetie.

Heute könnte es die Trennung von Staat und Kirche darstellen: eine künftige Ordnung, die anrückt gegen die bestehende, zu verbessernde: reformanda, revoltanda. Der biblische Kanon (Richtschnur) für die Revolution aber ist und bleibt der Umgang mit den Armen.

Die Propheten klagten die Einhaltung der biblischen Weisungen ein: das Recht der Armen auf Teilhabe an Nahrung und lebenserhaltenden Mitteln (der Mundraub-Paragraph, der diesem Denken entsprach, ist in unserem Lande abgeschafft, weil es angeblich keine <unverwaltete> Armut mehr gibt.), die Neuverteilung des Landes alle 50 Jahre (Kapital und Produktionsmittel).

Innozenz III ließ in der ungebrochenen Machtfülle der Papstkirche die Armutsbewegungen verfolgen. In Franziskus von Assisi versuchte er, sie für die Kirche zu vereinnahmen: während Franziskus selbst heilig gesprochen wird, landet sein Testament im Index der verbotenen Schriften. Verzerrt zur Idylle wird die Sprengkraft des franziskanischen Denkens gebrochen.

Eine hoch gerüstete Armee, prophylaktische Verhaftungen lassen ahnen, dass die vierzehn Prozent der Weltbevölkerung, die Zweidrittel des Bruttonationaleinkommens gegen jede Andersverteilung absichern, keine andere Zukunft zulassen wollen.

Ob es dabei bleibt, wird auch davon abhängen, inwieweit die Kirchen ihrem eigentlichen Auftrag und Wesen entsprechen: Anwalt der Armen und Stimme der Stimmlosen, Zuflucht der gesellschaftlich Ausgegrenzten zu sein.

Das erste Mal

von Robert Irmscher

Mehr als 700.000.000.000 Dollar geben die G8-Staaten jährlich für Waffen aus. Da bleibt für die Bekämpfung der globalen Armut nicht viel Geld übrig.

Diese ungeheuerliche Summe erinnert mich an die erste Demo, an der ich in meinem Leben teilnahm. Trotz Schule. Es gibt Wichtigeres, dachte ich mir damals. Das war im Februar 2003, als die Invasion des Iraks durch die „Koalition der Willigen“ unter Führung der USA begann. Ich war damals kein politischer Mensch, aber ich fand, Krieg kann niemals eine Lösung sein. Eindeutig war: Bei diesem Krieg ging es weder um Demokratie oder Menschenrechte, noch um Massenvernichtungswaffen. Es ging um Öl. Um die Bedürfnisse der selbsternannten „Weltpolizei“ zu stillen, mussten seitdem schon Tausende von Menschen sterben. Auch heute, vier Jahre danach, geht das Töten und Sterben weiter. Nicht nur im Irak, sondern weltweit.

Man könnte sagen, jener Tag im Februar hat mich politisiert. Ich werde wohl politisch bleiben müssen.