Volksbegehren ohne Wert

Wir in Reinickendorf • 10/2007

WiR-Interview mit Thomas Maier von der BI Nachnutzung des Tempelhofer Flughafengeländes

Wenn Lobbyisten die Bürger für dumm verkaufen (wollen)...

Am 15. Oktober 2007 wird voraussichtlich die zweite Stufe des Volksbegehrens „Tempelhof bleibt Verkehrsflughafen“ gestartet. Abzusehen ist, dass zum Zeitpunkt der Schließung des Flughafens Tegel, bei zeitgleicher Eröffnung des Großflughafens Berlin-Brandenburg-International (BBI), von interessierten Lobbygruppen vergleichbare Diskussionen auf die politische Tagesordnung gesetzt werden.

WiR führte ein Interview mit dem Sprecher der Bürgerini­ti­a­tive (BI) zur Nachnutzung des Tem­pelhofer Flughafengeländes Thomas „Tom“ Maier.

Herr Maier, wer steht hinter dem Bürgerbegehren und haben Sie Verständnis für Bürger, die dieses unterschreiben werden?

In erster Linie sind die Betreiber von Fluggesellschaften, Hobbyflieger und Wirtschaftsinteressen zu nennen. Seit Monaten wird ein Medienspektakel inszeniert, das vorgaukelt ein Weiterbetrieb von Tempelhof wäre im allgemeinen Interesse. Ich bestreite dies. Gleichzeitig verstehe ich das die Wahrnehmung der Bürger in Tempelhof-Schöneberg eine an­de­re ist als im angrenzenden Neu­kölln: während Tempelhof zumindest ein paar Gebäude des Flughafens hat, so besitzt Neukölln überhaupt nichts Positives des Flughafens. Gleichzeitig verschweigt die CDU hartnäckig, dass die Planung des BBI in ihrer Regierungszeit stattfand und die Unterschriftensamm­lung von privaten Unternehmen finanziert werden soll - das ist kennzeichnend. Die Bürger werden wieder mal für dumm verkauft. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Tempelhof ist unren­tabel, der Flugbetrieb belastet die Umwelt, der Lärm macht krank, Abstürze kann man nicht ausschließen und niemand braucht den Flughafen.

Hätte ein erfolgreiches Bürgerbegehren Konsequenzen für den geplanten BBI?

Nur insofern, dass es geeignet wäre, das Thema am Kochen zu halten. Natürlich soll auch rot-rotes Regierungshandeln torpediert werden. Rechtlich steht fest, dass der Bau von BBI laut Landesentwick­lungsplan die Schließung von Tempelhof und Tegel zur Voraussetzung hat. Dies ist gerichtlich bestätigt; BBI wird also kommen. Das wissen ja auch die Initiatoren des Volksbegehrens. Das Ergebnisses hat nur populistische Relevanz, keinen wirklichen Wert. Ich sage dazu immer: wir können auch ein Volksbegehren starten, in dem wir fordern, dass der Mond grün angemalt werden soll.

Ist die heftige Diskussion auch für die Schließung von Tegel relevant?

Aber ja, obwohl sicherlich andere Schwerpunkte in den Argumenten gewählt werden. Die Reinickendorfer Bürgermeisterin, Frau Wanjura, übt ja heute schon, zum Beispiel mit der „Idee“ eines Regierungsflughafens. Da wird sicher noch mehr kommen. Letztlich sind meist die Wirtschaftsinteressen ausschlaggebend.

Welche Alternativen schlägt die BI zur Nachnutzung des Flug­hafengeländes Tempelhof vor und könnte Reinickendorf davon lernen?

Unsere BI hat inzwischen teils sehr konkrete Ideen entwickelt, die auch auf unserer Homepage nachzuvollziehen sind. Im Vordergrund und als Maßstab stehen Aspekte des ökologischen und kulturellen Nutzens, die aber nicht nur den BürgerInnen der direkt angrenzenden Bezirken dienen sollten. Ausschlaggebend ist die früheste mögliche, politisch geförderte, Einbeziehung bürger­schaft­licher Kompetenz. Ideen­­wett­be­wer­be, die nicht nur ökonomische Prioritäten setzen, sind geeignet, unterschiedliche Interessen zu formulieren und ggf. auszugleichen. Auch Reini­ckendorf wäre gut beraten, alle Betroffenen früh anzusprechen und verantwortlich mit einzubeziehen.

Das Interview führte Jürgen Schimrock