Am Rande

Wir in Reinickendorf • 12/2008

Frage aus der virtuellen Welt

In Tegel hat es wieder mal gespukt, woanders spukt’s ja nicht (vergleiche Goethe, Faust 1, Walpurgisnacht). Laut Internet hat der Schutzverein Selbstentleibter Banker in Scham e.V. eine außerordentliche Sitzung abgehalten.

Es sei um den inzwischen widerwärtig oft erhobenen Vorwurf der Politik gegangen, die Realwirtschaft sei von der virtuellen Wirtschaft in die Krise gezockt worden. Jedoch müsse am Ende des verhängnisvollen Jahres 2008 endlich klargestellt werden, dass die Virtualwirtschaft alles Erdenkliche getan habe, um die Krise zu verhindern.

Auch in Deutschland seien nämlich gewisse Leute in den letzten zehn Jahren mit mindestens einer zusätzlichen Billion Euro gekommen und hätten Anlagemöglichkeiten für ihr Geld gefordert. In die Realwirtschaft zu investieren hätten sie sich geweigert, weil bereits viel zu viel Waren und Leistungen auf dem Markt seien und weil die Leute, die ihr Geld für Waren und Dienstleistungen zu verbrauchen pflegen, eh kein Geld hätten. Verständlicherweise wären die Anlegewilligen lebensbedrohlich überfordert gewesen, hätten sie ihr Geld selbst konsumieren sollen. Und da musste man eben Geld als Kredit weiter vermitteln, wo man eigentlich nichts hätte vermitteln sollen, und habe neue Finanzprodukte entwickelt, die man nicht hätte entwickeln dürfen. Und dafür habe man schließlich auch gebüßt.

Wer aber sei verantwortlich, dass diese Billion - hälftig Steuergeschenke an Vermögenseigner, hälftig Extraprofite für Kapitaleigner wegen sinkender Reallöhne – zusammengesammelt und in die Virtualwirtschaft gespült wurde? Jeder in der realen Welt habe doch wissen müssen und können, dass dieses Geld im realen Kreislauf von Produktion und Konsumtion bitter fehlen würde.

Jochen Eser