Ihr Kinderlein kommet, aber nicht doch gleich alle und jedes

Wir in Reinickendorf • 12/2009

Weihnachtsgedanken in einer Hartz-IV-Familie

Vonwegen, Schwarz-Gelb wäre eine Koalition der sozialen Kälte. Beinahe als erstes hat die neue Regierung an die Kinder gedacht. Der Steuerfreibetrag je Kind soll zum Januar 2010 auf 7008 Euro erhöht werden. Damit auch diejenigen etwas haben, deren Einkommen die Ausschöpfung solcher Freibeträge nicht ermöglichen, sollen deren Kinder 20 Euro mehr Kindergeld bekommen. Ist das nicht ein schönes Geschenk für den weihnachtlichen Gabentisch?

Ich habe mich bei Familie Holz eingeladen, um mich mit ihr darüber zu freuen. Anna und Erwin sind arbeitlos mit dem Hartz-IV-Regelsatz von je 323 Euro. Sohn Paul, der jüngere, ist noch Schüler. Sohn Otto hat nach langem Suchen (und einem relativ langen Praktikum) endlich eine Ausbildungsstelle gefunden.

Damit es doch ein wenig wie Weihnachten riecht

Viel Festtagsvorfreude haben mir die Holzens nicht vorgeführt. Sicher, Erwin hat die Lichtergirlanden aus besseren Zeiten hervorgeholt und angeschlossen - für die Enkel. Sicher, Anna wälzt Backpläne, „damit es doch ein wenig nach Weihnachten riecht“. Aber das eigentliche Fest mit Festessen und Weihnachts­baumglanz wird an Heiligabend und am 1. Weihnachtsfeiertag bei Annas Eltern stattfinden. „Wenn du pro Kopf und Tag weniger als dreieinhalb Euro auszugeben hast, dann kannst du einfach nichts ansparen für ein paar üppigere Tage,“ sagt Anna.

Immerhin, ab 1. Januar soll es doch für die Familie 40 Euro mehr Kindergeld geben! Erwin guckt skeptisch und holt den jüngsten Bewilligungsbescheid des Job­Centers Reinickendorf hervor. Für Paul, den Schüler, steht da aufgelistet: Regelleistung zur Sicherung des Lebensbedarfs 287 Euro; Kindergeld 164 Euro; ergibt 123 Leistung seitens des JobCenters. Hätte er 184 Euro Kindergeld, würde das JobCenter eben nur 103 Euro zuzahlen. So einfach wird das wohl sein.

Eigentlich müsste Otto der „Krösus“ der Familie sein

Für Otto ist die Rechnung unübersichtlicher. Er hat dasselbe Kindergeld, aber er erhält ein Lehrlingsentgelt von 310 Euro. Beides zusammen liegt deutlich über der Regelleistung, die ihm wie seinem Bruder bewilligt ist, also entfällt sie. Otto hat sein Geld in den Haushalt der Bedarfsgemeinschaft einzubringen, und weil am Ende der Rechnung her­auskommt, dass er noch immer einen „Einkommensüberhang“ von 45 Euro hat, kürzt das JobCenter den Betrag, den es der Familie für Wohnung und Heizung zahlt, um diese Summe. Kann sein, dass die Kürzung ab Januar nächsten Jahres 65 Euro betragen wird.

Um gerecht zu sein: Otto darf einen Betrag behalten, der 100 Euro plus zwanzig Prozent seines darüberliegenden Arbeitseinkommens ausmacht. Sehr gut: braucht Anna ihm kein Taschengeld zu geben und kann ihn anpumpen, wenn im Haushalt mal was querläuft.

Als letztens die Regierung unter anderem ihre Kindergeldpläne im Bundestag durchwinken ließ, rechnete ihr die Opposition vor, dass Kinder von Spitzenverdienern 40 Euro mehr erhielten, Kinder aus Familien mit mittlerem Einkommen bekämen 20 Euro mehr - und Kinder aus Familien, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, bekommen gar nichts.

Lasset die Kindlein zu mir kommen, aber nicht alle und nicht jedes. Sti-ille Nacht, christliche Nacht...

Hans Schuster

Die Namen im Bericht sind geändert. Der Autor versichert, die „Bedarfsgemeinschaft“ besucht und ihren Bewilligungsbescheid in Händen gehabt zu haben.