Integration erfordert Teilhabe

Wir in Reinickendorf • 12/2009

Bürgermeister Balzer muss längst fälligen Schritt gehen

Von der UNO ausgerufen, wird der 18. Dezember als „Internationaler Tag der Migranten“ begangen. Nicht so in Reinickendorf, auch 2009 leider „Fehlanzeige“.

DIE LINKE, die SPD und die Grünen haben - ihre unterschiedlichen Möglichkeiten nutzend - das Thema „Integration“ in den vergangenen Jahren wiederholt in unserem Bezirksparlament und in der Öffentlichkeit zur Sprache gebracht. Die Reaktion? Frau Wanjura wollte den „schlafenden Riesen“ Reinickendorf wecken. Soziale Probleme störten bei ihrem Höhenflug, wurden verdrängt. Migranten? Reinickendorf ist nicht Kreuzberg - das machen wir pauschal, so nebenbei mit, verlautete stets aus dem Bezirksamt.

Realitäten sind „ein eigen Ding“.

In Reinickendorf leben rund 29 000 Deutsche mit Migrationshintergrund (11,9 %) und 23 500 Ausländer (9,7 %), alles zusammen weit über 50 000 Einwohner mit MH (Ende 2007). Sie wohnen im Märkischen Viertel, rechts und links der „Resi“ und woanders als Nachbarn neben und mit uns. Sie feiern ihr „Eid el Kebir“ oder „Nouruz“ und unser Weihnachten. Sie arbeiten bei Siemens, verkaufen Döner und Blumen, zahlen Steuern - oder kriegen Hartz-IV wie wir. Im November 2009 waren 2 799 Ausländer im Bezirk als erwerbslos registriert (19,5 %). Migranten sind doppelt diskriminiert, werden oft ausgegrenzt. Es nützt nicht viel, wenn man Deutsch kann, aber kein Wahlrecht hat und auf Sozialleistungen angewiesen ist.

Es stimmt: Integration ist keine Einbahnstraße, verlangt Wissen um Unterschiedlichkeit, Rücksichtnahme und Respekt. Immer noch erhalten Sarrazin und Buschkowsky auch an Reinickendorfer Stammtischen Zuspruch mit ihren vermeintlich provokanten Aussagen.

Migrantinnen und Migranten sind keine Objekte von Integrationspolitik; sie sind Subjekte der Politik, gleichberechtigte Bürger unserer Stadt und unseres Bezirkes.

DIE LINKE hat sich in der November-BVV erkundigt, ob unser neuer Bezirksbürgermeister nicht aus den guten Erfahrungen der GESOBAU im Märkischen Viertel lernen und den Weg für die Einsetzung eines Integrationsbeauftragten bzw. die Wahl eines Integrationsbeirates frei machen könnte. Frank Balzer hat die Chance verpasst, aus dem Schatten seiner Vorgängerin zu treten. In einem Offenen Brief bemerkt Yusuf Dogan, Bezirksvorsitzender der Reinickendorfer LINKEN:

Wie Ihre Antwort, Herr Bürgermeister, auf meine Einwohnerfrage zeigt, verharrt unser Bezirksamt leider in der traditionellen Position und hält alles bereits für gut gelöst. Ein Integrationsbeauftragter oder ein Integrationsbeirat - in anderen Bezirken längst politischer Alltag - würden nicht gebraucht. Dass damit zehn Prozent der Reinickendorfer Bevölkerung das Recht auf demokratische Mitbestimmung und -entscheidung über ihre eigenen Dinge verweigert wird, kann wohl kaum als besondere Form der Bürgernähe abgebucht werden. Nur gut, dass die CDU damit in der BVV inzwischen allein dasteht.“

Pflichtaufgabe des Landes und der Bezirke

Der rot-rote Senat bereitet ein „Gesetz zur Gleichstellung und Integration von Menschen mit Migrationshintergrund (Integrationsgesetz)“ vor. Es soll die politische, rechtliche und soziale Gleichstellung der Menschen mit Migrationshintergrund sichern. Der Landesbeirat empfiehlt: „Die Bezirke setzen Integrationsbeauftragte ein und stellen einen entsprechenden Unterbau zur Verfügung... Die Fragen der bezirklichen Ausländerbeiräte, der BVV-Ausschüsse und der Bürgerdeputierte sind zu regeln.

Unser Bezirksamt wäre gut beraten, nicht zu warten, bis es per Gesetz handeln muss. Die BVV könnte einen entsprechenden Auftrag erteilen.

Klaus Gloede
Stellv. Bezirksvorsitzender

 

Zur Integrationspolitik in Berlin

DIE LINKE in Berlin bis 2011

3.Tagung des 2 Landesparteitages der Partei DIE LINKE. Berlin, 28.11.2009

Klaus Lederer, Landesvorsitzender der Partei DIE LINKE.Berlin

...Rot-rot hat sich ernsthaft und vor allem anders als alle anderen dem Thema Integration zugewendet, in dem nicht permanent über die Defizite gejammert wird, sondern über die Stärken einer offenen, wandlungsfähigen Gesellschaft – und vor allem etwas getan wird, damit sie für alle ein Gewinn ist.

...Mindestens ebenso brennend ist die Frage nach einer sozialen und emanzipierenden Integrationspolitik. Das zeigen nicht zuletzt die immer wieder heftig aufwallenden Debatten, wenn Thilo Sarrazin oder Heinz Buschkowsky das in die Welt setzen, was sie für gründliche Analysen der sozialen Frage in unserer Stadt halten. Stammtischthesen und Ignoranz sind immer noch weit verbreitet. Wir müssen Vorschläge ausbauen, wie sich die Verhältnisse, wie sich auch die Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft, ändern müssen, um erstens formale und zweitens reale Gleichheit aller Berlinerinnen und Berliner zu schaffen.

ZUR REDE

 


 

Sozial auch nach der Wahl

... 2. Aufgaben der LINKEN in Berlin 2010.

... Bewährtes fortführen, Neues entwickeln.

... c. Gesellschaftliche Desintegrations- und Ausgrenzungsprozesse betreffen in unserer Stadt in besonderem Maße Menschen nichtdeutscher Herkunft. Soziale Probleme haben sich hier in den vergangenen Jahrzehnten durch besondere Benachteiligungen und eine lang andauernde Ignoranz gegenüber einer notwendigen Integrationspolitik verstetigt. Die Folgen der Wirtschaftskrise drohen diese ohnehin vorhandenen Tendenzen weiter zu verfestigen. Umso bedeutsamer sind die von uns angestoßenen und vom rot-roten Senat verabschiedeten Integrationskonzepte I und II, mit deren Umsetzung wir für die hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund mehr Chancengerechtigkeit in Bildung und Beruf sowie mehr gesellschaftliche Teilhabe anstreben. Wir wollen diesem Anliegen noch in dieser Legislaturperiode durch die Verabschiedung eines Integrationsgesetzes einen höheren Stellenwert und mehr Nachdruck verleihen. Ein solches Gesetz muss aus unserer Sicht mit einem Arbeitsprogramm verbunden werden, das über die nächsten Wahlen hinausreicht.

aus: Beschluss der 3. Tagung