Gemeinsam, nicht getrennt.

BerlinInfo April 2009

„Alle Religionen seindt gleich und guht, wan nuhr die Leute, so sie profesieren, erliche Leute seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wollten das Land pöblieren, so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen.“ Das schrieb Friedrich II. dereinst in einem Brief. Danach erließ er sein Toleranzedikt. Eine andere Geschichte erzählt vom Turmbau zu Babel. Er sollte so hoch ragen, dass er in Gottes Reich vorstößt. Der zürnte darob und bestrafte sie dafür, indem er allen verschiedene Sprachen gab. Man verstand einander nicht mehr. Und so scheiterte das Werk an allgemeiner Wirrnis.

Zeitsprung: Inzwischen sind Leute aus 180 Nationalitäten gekommen, um Berlin zu pöblieren – mit vielfältigen Erfahrungen, aus unterschiedlichen Kulturen und zahlreichen Religionen. Die Welt ist in Berlin zuhause, in ihrer ganzen Vielfalt. Die fruchtet aber nur, wenn alle – anders als in Babel – einander auch verstehen können. Genau das will „Ethik“ befördern, ein Unterrichtsfach, an dem alle ab der 7. Klasse ins Miteinander kommen. So weit, so gut, jedenfalls bislang.
Denn ginge es nach der Initiative „Pro Reli“, dann bekäme die gute Idee einen schweren Knacks. Schülerinnen und Schüler müssten sich künftig für ein Fach entscheiden: entweder Religion oder Ethik. Beides, wie derzeit, ginge dann nicht mehr. Die Folgen sind überschaubar: Jede Kirche und jede Religions-Gemeinschaft würde „ihre“ Kinder abwerben. Zurück bliebe eine Handvoll Ungläubige. Der gemeinsame Dialog über Religionen, Kulturen, Werte und Moral würde einsam. Das Fach „Ethik“ wäre sinnentleert. Tschüß Friedrich II., willkommen in Babel.

Nun prasseln „Pro Reli“ kontra „Pro Ethik“ aufeinander. Plakate werben oder verschleiern. Medien kommentieren, so oder so. Manche sprechen sogar vom Antikirchenkampf. Weit gefehlt! Es geht um bessere Bildung für alle, ein urlinkes Thema. Zumal: Rot-Rot nimmt den Berliner Kirchen nichts. Mit „Ethik für alle“ wurde der Stadt etwas gegeben.

Auch dieser biblische Rat ist überliefert. Matthäus 5, 33: „Eure Rede sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.” Hätte sich „Pro Reli“ doch daran gehalten. Stattdessen herrscht Wirrwarr. Deshalb: Wer Ja zu „Pro Reli“ sagt, votiert gegen „Ethik“. Klar! Wer indes mit Nein stimmt, erhält beide Fächer, Noch einfacher: „Pro Ethik“ will verbinden. „Pro Reli“ würde trennen. Das ist des Pudels Kern. Nun geht es um die Wurscht, beim Volksentscheid am 26. April 2009. Was riet Erich Kästner? „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“

Petra Pau, MdB
Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags