DIE LINKE ist wichtiger denn je - Vertrauen nicht verspielen!
Wir in Reinickendorf • 4/2010
Doppelinterview mit den Kandidaten für die Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst
Gregor Gysi hat zusammen mit den Landessprecher/innen und den Mitgliedern des Parteivorstands für den Parteitag im Mai einen Personalvorschlag gemacht, der viele Ämter „doppelt“ besetzt. Brauchen wir eine Doppelspitze?
Gesine Lötzsch: Mein Terminkalender platzt aus allen Nähten! Ich bin sehr froh, dass Klaus und ich schon vor dem Parteitag eine gute Arbeitsteilung entwickelt haben. Es gibt ein großes Bedürfnis in der Partei, die brennenden Fragen unserer Zeit zu diskutieren. Für eine so junge und dynamische Partei ist es absolut wichtig, dass die Parteiführung sehr häufig vor Ort ist. Da sind zwei Vorsitzende besser als einer.
Klaus Ernst: Unser Erfolg bei der Fusion und mit der neuen LINKEN war auch deshalb so groß, weil keine Seite die andere dominiert hat. Diese gute Tradition sollten wir auch in der Parteiführung fortsetzen. Eine Doppelspitze spiegelt die Vielfalt unserer Partei viel besser wieder. Außerdem wurde es Zeit, dass wir auch in unseren obersten Spitzenämtern die Frauen in unserer Partei und in unserer Gesellschaft repräsentieren.
Und dann noch eine doppelte Geschäftsführung?
Gesine Lötzsch: Unsere Partei ist immer noch im Aufbau begriffen und muss sich gleichzeitig allen Fragen unserer Zeit kompetent stellen. Keine Bürgerin und kein Bürger ist bereit, darauf zu warten, bis wir alle Strukturen aufgebaut haben. Sie wollen jetzt Antworten auf ihre Fragen. Wir bauen auf und bauen um, bei laufendem Betrieb! Deshalb brauchen wir eine Geschäftsführerin, die den Aufbau und einen Geschäftsführer der den Betrieb im Auge hat. Das sind zwei Herkulesaufgaben.
Seit dem 20. März liegt der Entwurf für ein Parteiprogramm vor. Freut ihr euch auf die Programmdiskussion?
Klaus Ernst: Ja, auf jeden Fall. Wir haben einen Entwurf, der in meinen Augen eine sehr gute Basis für die Diskussion darstellt. Und ich wünsche mir, dass sich möglichste viele Mitglieder mit dem Entwurf beschäftigen und an der Debatte beteiligen. Die Diskussion soll sich nicht nur auf Funktionäre und Strömungen begrenzen – alle sind gefragt und aufgefordert, sich einzubringen. Das gilt im übrigen auch für unsere gesellschaftlichen Bündnispartner.
Gesine Lötzsch: Die Programmdebatte ist eine großartige Möglichkeit, unsere Vorstellungen von einer solidarischen und gerechten Gesellschaft öffentlich zu diskutieren. Ziel muss es sein, dass die Genossinnen und Genossen möglichst viele Menschen, die noch nicht in unserer Partei sind, in diese Diskussion einbeziehen. Wir erwarten viele Vorschläge zur Verbesserung des Programms. Je mehr Menschen an dem Programm konkret mitarbeiten, desto besser.
Was sind nach dem Parteitag die nächsten großen Aufgaben, die anstehen?
Klaus Ernst: Vor allem müssen wir uns wieder auf den Kampf gegen schwarz-gelben Sozialabbau konzentrieren. DIE LINKE ist gerade jetzt wichtiger denn je, um gegen die Kopfpauschale im Gesundheitssystem oder auch gegen Leiharbeit und schlechte Jobs zu kämpfen. Dafür brauchen wir aktive Mitglieder und sichtbare Aktivitäten wie beispielsweise die Gesundheitskampagne. In den nächsten Jahren gilt es auch, die restlichen Bundesländer mit starken LINKEN Landtagsfraktionen zu bestücken.
Müssen wir unsere Ziele in Anbetracht der Finanz-und Wirtschaftskrise verändern?
Gesine Lötzsch: Im Gegenteil, wir müssen mit einem noch größeren Nachdruck unsere Ziele verfolgen. Fünf Millionen Wählerinnen und Wähler haben uns ihre Stimme gegeben, damit wir endlich einen gesetzlichen Mindestlohn durchsetzen, Hartz IV abschaffen, den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan erzwingen und die Rentenkürzungen rückgängig machen. Die Bankenkrise hat nur gezeigt, dass unsere Forderungen absolut richtig sind.
Klaus Ernst: Das kann ich nur unterstützen. Unser inhaltlicher Markenkern hat uns stark gemacht. Da müssen wir auch konsequent bleiben: gegen die Rente mit 67, aber auch keine Kompromisse, die Sozial- und Personalabbau in Kauf nehmen. DIE LINKE ist aber auch die einzige Partei, die aus der Krise Konsequenzen gezogen hat: wir müssen die Vergesellschaftung der Banken und die Beteiligung von Beschäftigten an ihren Unternehmen als gesellschaftliche Forderungen vorantreiben und verankern. Die Menschen haben uns ein hohes Gut geschenkt: Vertrauen. Wir haben jetzt auch die Verantwortung, dieses nicht zu verspielen.