Soldat, Soldat, in grauer Norm, Soldat, Soldat, in Uniform ...

Wir in Reinickendorf • 4/2010

Die BVV Reinickendorf hat auf ihrer letzten Sitzung einstimmig und ohne Aussprache be­schlossen, den Einsatz von sogenannten Jugendoffizieren an Schulen im Bezirk zu befür­worten. Jugendoffiziere sind Angehörige der Bundeswehr, deren Aufgabe es ist, Schüler über das Militär im allgemeinen und über deutsche „Sicherheitspolitik“ im besonderen aufklären sollen. Das Angehörige des Militärs dies in der Regel nicht besonders kritisch tun liegt auf der Hand – trotz anderslautender Angaben der Bundeswehr.

Kampfeinsätze“ an Schulen?

Insbesondere möchte die BVV, dass das Planspiel „Pol&Is“ mit den Schülern im Unterricht durchgeführt wird. Durch „Pol&Is“ soll „internationale Politik für Schüler erfahrbar gemacht werden“, so die Selbstdarstellung auf den Seiten des Verteidigungsministeriums. Denn heutzutage führe eine „Kombination aus Ursache-Wirkungs-Relationen“ zu einer Schwächung staatlicher Macht, in deren Folge die Ökonomie maßgeblicher Faktor in der Weltpolitik sei. Daraus wird nun gefolgert, man benötige deswegen einen neuen „Mix robuster Fähigkeiten“ um diesen neuen Bedrohungslagen zu begegnen (alle hier verwandten Zitate aus der Selbstdarstel­lung der Bundeswehr). Robuste Fähigkeiten ist Militärsprech für kriegerisches Eingreifen im Ausland. Dass Auslandseinsätze von - je nach Umfrage - bis zu 80% der Bevölkerung abgelehnt werden, scheint dabei nicht zu interessieren.

Die Besuche der Jugendoffiziere sind nach eigener Aussage der Bundeswehr keine ordi­nären Wehrdienstberatungen, da es sonst für die Jugendoffiziere erheblich erschwert wür­de, Einladungen in Schulen zu erhalten. Die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung formuliert das etwas vorsichtiger. So fände durchaus „personalwerbliche Kommunikation“ innerhalb des Unterrichts statt, jedoch nur nach Absprache mit den Leh­rern (Antwort auf die Kleine Anfrage auf Drucksache 16 / 13 924).

Nach Aussage der Bundeswehr halten die Soldaten Vorträge, meist über Teilaspekte deutscher Sicher­heitspolitik. Insbesondere waren in den vergangenen Jahren Veranstaltungen zu dem Afghanistan Einsatz, aber auch über die „Atalanta“ Mission am Horn von Afrika, in den ver­gangenen Jahren gefragt.

Die Grundlagen deutscher „Sicherheitspolitik“ sind in Berlin in der Sekundarstufe II (Klas­sen 11-13 an Gymnasien) Pflichtstoff. Die Jugendoffiziere der Bundeswehr seien dafür „kompetente und vor allem authentische Ansprechpartner“, wird seitens der Bundeswehr mit einen leichten Einschlag von Selbstzufriedenheit konstatiert.

Bundeswehr als Pflichttermin?

Dadurch werden die Veranstaltungen mit den Soldaten aber auch zum Pflichttermin für die Schüler, ein Fernbleiben würde als unentschuldigte Fehlstunde gewertet. Schülerinnen und Schüler, die sich einer solchen organisierten Propagandaveranstaltung für die Militär- und Kriegspolitik der Bundesregierung entziehen wollen, werden so über das Mittel der Schulpflicht ge­zwungen, daran teilzunehmen. Das ist nicht hinzunehmen. Die Bundeswehr ist kein normaler Arbeitgeber, sie hat in Schulen nichts zu suchen. Schülerinnen und Schüler des Schadow-Gymnasiums in Steglitz-Zehlendorf haben es vorgemacht: Sie haben gegen das Militär an ihrer Schule demonstriert. DIE LINKE war dabei - auch die Grüne Jugend. Dort scheint es noch ein Problembewusstsein zu geben, ganz im Gegensatz zu den Grünen in der BVV.

Was macht die Bundeswehr in Afghanistan?

In den Veranstaltungen der Jugendoffiziere wird einem berichtet, dass unsere Sicherheit (wahlweise: Freiheit) am Hindukusch verteidigt würde. Kritische nachfragen, etwa danach, ob unsere Sicherheit nicht in dem Maße schwinden würde, indem die NATO und somit auch deutsche Soldaten am Hindukusch Kol­lateralschäden anrichten, werden nur halbherzig beantwortet. Das sei ja heute gar nicht mehr so einfach, in der Zeit der Globalisierung. Vernetzte Sicherheit eben, in bestem Mili­tärsprech.

Auch die Frage danach, ob man in Afghanistan nicht Drogenbarone und Wahlfälscher an der Macht halten würden und wie das mit den vom ehemaligen Bundesverteidigungsminis­ter Jung ausgegeben Zielstellung einer Demokratisierung Afghanistans zusammengeht, werden auch nur ausweichend beantwortet. Man müsse eben mit dem Personal arbeiten, dass es in Afghanistan gibt. Richtig. Aber dafür braucht man nun wirklich kein Militär im Land. Ob die einen Verbrecher an der der Macht sind oder die anderen, spielt nun wirklich nur eine untergeordnete Rolle. Der einzige Unterschied ist nun, dass dies nun „unsere“ Verbrecher sind.

In der Selbstdarstellungsbroschüre werden die Offiziere deutlicher: So wird ein Kölner Offii­zier zitiert, man würde den Schülern „die Konsequenzen politischen Handelns aufzei­gen und dabei auch mögliche Alternativen aufzeigen“. Wenn Militärs von Alternativen zu politischem Handeln sprechen, kann das eigentlich nur eines bedeuten.

Kritische Soldaten

Wobei: Militärs sind nicht gleich Militärs. Die Jugendoffiziere gehören zur Öffent lichkeitsarbeit der Bundeswehr und werden auch entsprechend ausgewählt und geschult. Es gibt aber durchaus auch kritische Angehörige in der Bundeswehr. So vertritt auch der Arbeitskreis „Darmstädter Signal“ innerhalb der Bundes­wehr die Position, dass ein Abzug der Truppen aus Afghanistan längst überfällig ist. Am 22. Februar wurde in Stralsund folgender Aufruf beschlossen:

Wir, Offiziere und Unteroffiziere des Arbeitskreises DARMSTÄDTER SIGNAL, fordern die Bundesregierung und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, die offen­sichtlich gescheiterte Kriegspolitik in Afghanistan unverzüglich zu beenden. Schluss mit weiteren Milliarden für das Töten und Sterben am Hindukusch! Bundeswehrsoldaten sind kein Kanonenfutter für Kriege fern der Heimat! Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird am Hindukusch nicht verteidigt, sondern gefährdet!

Deshalb fordern wir die Bundesregierung und alle Abgeordneten des Bundestages auf:

  1. Senden Sie keine weiteren Bundeswehrsoldaten in den Krieg nach Afghanistan!

  2. Folgen Sie dem Beispiel der Niederlande und Kanadas und beginnen mit dem Rückzug der deutschen Truppen – ein Rückzug der Bundeswehr ist gerade kei­ne Selbstisolation im Bündnis.

  3. Legen Sie der deutschen Öffentlichkeit unverzüglich einen Plan für den schnellstmöglichen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan vor – mehr als drei Viertel der BürgerInnen unseres Landes erwarten das von Ihnen!

  4. Konzentrieren Sie das Engagement Deutschlands auf Aufbau und Entwicklung in Afghanistan ausschließlich mit zivilen Mitteln und setzen so ein deutliches Zei­chen für gewaltfreie Konfliktlösung.

  5. Wirken Sie darauf hin, dass der NATO-Einsatz beendet wird und stattdessen die Vereinten Nationen – so wie in der UN-Charta vorgesehen – die Verantwortung für den Frieden und die internationale Sicherheit in der Region übernehmen.

Wer Frieden in Afghanistan will, darf dort nicht Krieg führen, sondern muss mit friedli­chen Mitteln die Herzen und Köpfe der Afghanen gewinnen! Die Bundeswehr ist längst schon nicht mehr Teil der Lösung, sondern Teil des Problems in Afghanistan. Mit jedem getöteten Afghanen steigen Terror und Gewalt - deshalb Schluss mit diesem irrsinnigen Krieg am Hindukusch!“

Die LINKE und viele Akteure der Friedensbewegung hingegen stehen für politische Lösun­gen. Bundeswehreinsätze sind das Gegenteil einer Lösung.

Robert Irmscher