Gleichstellung – Nicht nur Sache der Frauen
Wir in Reinickendorf • 12/2010
Zur Bilanz von Rot-Rot führte „WiR“ein Interview mit Almuth Hartwig-Tiedt
Almuth, Gleichstellung weiter denken - was genau ist damit gemeint?
Es ist ein neuer strategischer Ansatz, der unserem Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm zugrunde liegt. Meistens war es bisher so: Wenn irgendwo eine Anforderung auftauchte, Auswirkungen von Entscheidungen in Politik oder Verwaltung auf Frauen und Männer zu untersuchen, dann landete diese Aufgabe auf dem Tisch der Frauenabteilung. Die sind doch dafür zuständig, hieß es dann lapidar. Wir wollen jetzt erreichen, dass überall, an jedem Arbeitsplatz, geschlechtsspezifische Kenntnisse zum Standardwissen gehören.
Genderwissen muss ein Qualitätsmerkmal der täglichen Arbeit sein, egal, ob der Arbeitsplatz bei der Polizei, in der Schule, in einer Wirtschaftsverwaltung oder in einem Krankenhaus ist. Wir sind fest davon überzeugt, dass die großen Herausforderungen, die Berlin zu meistern hat, nur bewältigt werden können, wenn es zu einem deutlichen Fortschritt in der Gleichstellung kommt.
Na und, könnten jetzt einige sagen, das Ziel ist doch nun wirklich nicht neu.
Mag sein, wir reden nicht nur, wir handeln. Erstmals hat sich die Regierung eines Bundeslandes verbindlich das Ziel gesetzt, einen solchen Weg, der einen Paradigmenwechsel in der politischen Arbeit darstellt, zu gehen. Alle Senatsverwaltungen und die meisten Bezirksverwaltungen haben konkrete Maßnahmepläne erstellt und erstmals in diesem Jahr öffentlich berichtet, wie weit sie bei der Umsetzung gekommen sind. Da gibt es sehr gute und weniger gute Ergebnisse. Der erste Bericht zeigt realistisch, wo wir in Berlin gut sind und wo intensiv weiter gearbeitet werden muss. Keine Verwaltung kann sich der Verantwortung mehr entziehen, sich mit dem Thema Gleichstellung konkret zu beschäftigen. In Zukunft wird es darum gehen, Indikatoren für die Wirksamkeit der Arbeit zu entwickeln.
Gibt es denn schon Erfolge?
Gut sind wir zum Beispiel in der Hochschulpolitik bei der Besetzung von Professorinnenpositionen. Gut sind wir bei der Unterstützung von Frauen, die ein eigenes Unternehmen gründen wollen. Gut sind wir bei der Bekämpfung von häuslicher Gewalt.
Welche Perspektiven haben Frauen-projekte angesichts der Kürzungen durch die Bundesregierung?
Frauenprojekte bleiben in Berlin ein ganz wichtiger Teil der Soziokultur, der Weiterbildung, der Beratung, der Integration von Migrantinnen und Existenzgründung. Die rot-rote Koalition hat in diesem Haushalt die Zuwendungen an die Projekte um fünf Prozent erhöht. Wir finanzieren darüber hinaus 58 Stellen - sogenannte Fraueninfrastrukturstellen - in Projekten der Stadt, die Angebote für Frauen bereit halten.