Reinickendorf auf dem Weg zum Krähwinkel?

Wir in Reinickendorf • 01-02/2011

Wie die CDU die Selbstständigkeit der Schulen und das Elternwahlrecht aushebelt

Mit den Stimmen von SPD, B90/Grünen, FDP und von drei Einzelverord­neten forderte die BVV am 12. Januar 2011 das Bezirksamt auf, die Pläne der Hannah-Höch-Grundschule und der Greenwich-Oberschule zu unterstützen, sich zu einer Gemeinschaftsschule zusammenzuschließen. Damit würde kein Bezirk mehr ohne Gemeinschaftsschule sein. Für die Reini­ckendorfer LINKE begrüßte Be­zirksvorsit­zender Yusuf Do­gan diese Entscheidung.

Schulstadträtin Schultze-Berndt (CDU) aber will die Fusion verhindern.

Erfolgsmodell

Im Schuljahr 2010/2011 gibt es in Berlin 17 Gemeinschaftsschulen, die erfolgreich arbeiten und sich einer großen Nachfrage erfreuen. Weitere Bewerbungen aus vier Bezirken liegen vor. Der 2. Zwischenbericht der Wissenschaftlichen Begleitung der Pilotphase Gemeinschaftsschule vom Dezember 2010 zeigt die gute Entwicklung und Entwicklungsbereit­schaft der Gemeinschaftsschulen.

„Die Gemeinschaftsschulen sind Motor, Beispiel und Ziel der Entwicklung der Berliner Schulen,“ resumierte der bildungspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Steffen Zillich, die bisherige Entwicklung.

„Schlüssiges Konzept“ (Mieke Senftleben, MdA, FDP)

Die Hannah-Höch-Grundschule und die Greenwich-Oberschule im Märkischen Viertel (MV) haben gute Voraussetzungen für den Zusammenschluss zu einer Gemeinschaftsschule. Im Schulausschuss der BVV verwiesen deren Direktoren auf die reformpädagogischen Erfahrungen und anerkannten Leistungen der Schulen in den vergangenen Jahren. Für Michael Tlustek, Schulleiter der Hannah-Höch, stehen die Bedürfnisse der Kinder im Vordergrund. Seine Vision ist die Verbesserung der Bildungschancen für die Kinder und Jugendlichen, unabhängig von deren sozialen Voraussetzungen.

Im MV, wo nicht gerade die Begüterten wohnen, ist das eine wichtige Aufgabe, denn 50 Prozent seiner Schüler haben einen Migrationshintergrund, 45 Prozent sind lehr­mit­telbefreit. Das Konzept - Individualisierung des Lernprozesses, gemeinsam lernen vom 1. Schuljahr bis zum Abitur - überzeugte den Bezirksschulausschuss, einer Teilnahme an der Pilotphase zuzustimmen. Dafür hatten die Eltern bis 19. Januar 2011 468 Unterschriften gesammelt.

Die Schulkonferenzen beider Schu­len, der Be­zirksschulbeirat, der Be­zirkselternausschuss, Gewerkschaften und die Schulaufsicht der Senatsbildungsverwaltung, nun auch der Schulausschuss und die BVV - also alle demokratischen und gemäß Schulgesetz zuständigen Gremien - haben zugestimmt, bis auf...

Wovor hat die CDU Angst?

Das Bezirksamt als Schulträger, vertreten durch Schulstadträtin Katrin Schultze-Berndt, und ihre Partei stellen sich der Fusion in den Weg. Eine Gemeinschaftsschule, als „Einheitsschule“ diffamiert, passt nicht in das Weltbild der Reinickendorfer CDU. Sie wird als “ideologisches Teufelszeug“ angesehen, das nur dem „Selbstver­wirklichungstrip“ der Lehrer fröne. Offenbar wird befürchtet, eine attraktive Gemeinschaftsschule im MV könnte zu einer Konkurrenz für die bil­dungs­bürgerlichen Gymnasien werden.

„Die politische Überzeugung, dass die Kinder dort nicht ausreichend gefördert werden“ - allen Tatsachen zum Trotz - ist für die Stadträtin ausreichendes Motiv, sich über das Schulgesetz hinwegzusetzen und die Selbstständigkeit der Schulen und das Elternwahlrecht auszu­hebeln.

„Demokratische Rechte, der Wille der Lehrer, Eltern und Schüler dürfen nicht ignoriert werden, bloß weil es der CDU nicht passt“, erklärte Yusuf Dogan zu diesem Vorgehen, das das Demokratieverständnis der CDU entlarvt.

Klaus Gloede