Über Mauern hinweg

Wir in Reinickendorf • 07-08/2011

Anlässlich des 50. Jahrestages des Mauerbaus führte WiR ein Interview mit dem Direktkan­didaten der Rei­nickendorfer LINKEN für das Abgeordnetenhaus, Wahlkreis 3, Werner Doblies.

Werner, Du bist am 12. August 1961 von der DDR-Ostseeküste nach Westberlin gefahren - und geblieben. Hast Du den Mauerbau kommen sehen?

Ich habe tatsächlich lange vorher damit gerechnet. Es gab viele Indizien. Aber spätestens der Volkskammer- Beschluss über „Maßnahmen gegen Republikflucht“ am 11. August machte nicht nur mir klar, dass die Grenzen dicht gemacht werden würden. Letztlich war der Bau der Mauer die Kapitulation des politischen Systems der DDR.

Was waren die Motive für deine „nicht genehmigte Ausreise“?

Es gab einige. Die Aufnahme an der Humboldt Uni war mir verweigert worden. Ich hatte bereits seit der Grundschule Probleme, u. a. weil ich im Posaunenchor und der Jungen Gemeinde der evangelischen Kirche engagiert war. Trotz guter schulischer Leistungen und meines Engagements bei den Jungen Pionieren wollte mir der Schulleiter den Besuch der Oberschule verweigern. Andere Lehrer halfen mir. Später „bescheinigte“ man mir, dass ich mich „mit den gesellschaftlichen Problemen kritisch auseinander gesetzt“ hätte. Diese Beurteilung sollte eigentlich in einer demokratischen Gesellschaft jedem zur Ehre gereichen. Das war in der DDR aber nicht gewünscht - zumindest wenn es von der vorgegebenen Linie abwich. Aber natürlich lockte der Westen durch sein besseres Warenangebot, höhere Löhne und Reisefreiheit - höheren Lebensstandard.

Hast Du nach Deinem Weggang etwas vermisst?

Zuerst natürlich meine Eltern, meine Familie, die ich erst nach dreieinhalb Jahren wiedergesehen habe. Und natürlich war in der DDR wirklich nicht alles schlecht. Die verlogene Parteipropaganda und Ungerechtigkeiten machten die Akzeptanz schwer.

Der Alltag in Westberlin lehrte mich, auch hier die Dinge anders zu sehen. Karrierefördernde Parteimitgliedschaften und die Zusammenarbeit des Westens mit Diktaturen seien als zwei Beispiele genannt.

Du hast Dich dann auch in Westberlin politisch engagiert?

Ja, ich bin schon 1964 in die SPD eingetreten. Egon Bahr stand damals für den „Wandel durch Annäherung“ Das gefiel mir. Anfang der 80er Jahre trat ich im Zuge der Nachrüstungsdebatte der Alternativen Liste bei. Die Bombardierung Jugoslawiens, gegen den Willen der grünen Basis, war dann nicht mehr meine Politik. Seit 2001 bin ich, nach längerer „Betrachtung“ von außen, Mitglied der Reinickendorfer PDS geworden.

Ausgerechnet die PDS, ein nicht ganz leichter Schritt...?

Nein, sicher nicht. Für mich war sie, zumindest immer noch in Teilen, die Partei, vor der ich einmal weglaufen musste. Doch ich sehe meine inneren Grundwerte heute in der LINKEN am Besten vertreten. Denn heute gilt es insbesondere, die Mauern in und um Europa zu überwinden, die viele tausend Menschen das Leben kosteten und weiter kosten werden.

Interview: Jürgen Schimrock