„Fort mit den Trümmern und was Neues hingebaut“

Wir in Reinickendorf • 04-05/2015

(Bertolt Brecht, Aufbaulied)

Im Reinickendorfer Amtsblatt von 1945/1946 geblättert

hat Klaus Gloede

Am 15.Oktober 1945 erschien die erste Ausgabe des „Amtsblattes des Bezirksamtes Berlin-Reinickendorf“. Das Blatt sollte die Bevölkerung über Entscheidungen der französischen  Kommandantur, des Magistrats und des Bezirksamtes sowie über die wichtigsten Vorkommnisse im Bezirk unterrichten, erklärte Bezirksbürgermeister Böhm zum Geleit.

Erster Redakteur wurde Georg W. Pijet. In seinen Lebensgeschichten „Die Bretter meiner Welt“ (MDV Halle, 1987) erinnert er sich:

„Bürgermeister Böhm  ist Sachsenhausener. Er gibt sich grobschrötig. Seine Fragen sind geradezu. Früher war er Journalist. So finden wir schnell Kontakt. Er fragt mich, ob ich mir zutraue, ein Amtsblatt zu redigieren. Ich bestätige es“.

Reinickendorf 1945.

Am 22.April kamen „die Russen“ - zuerst nach Frohnau, danach in andere Ortsteile. Am 8. Mai war der Krieg endlich aus. Das „Tausendjährige Reich“ fiel zusammen. „Lieber Trocken-Brot essen, aber nie wieder Krieg!“ schworen sich auch die Reinickendorfer.

Im Amtsblatt (AB) ist die Rede von „Kapitulation“, „Zusammenbruch“ und „Katastrophe, in die uns Hitler gestürzt hat“. „Befreiung“? So fühlten wohl nur wenige. Der stellvertretende Bezirksbürgermeister  Hans R. Schneider, Überlebender der antifaschistischen „Mannhart-Gruppe“, fand in der konstituierenden Sitzung der Beratenden Bezirksversammlung (BBV) am 14. 6. 1945 diese Worte:

„Die Rote Armee hat unter ungeheuren Blutopfern das deutsche Volk von dem Joch befreien helfen, das es sich selbst 1933 auferlegt hat. Millionen russischer Menschen mussten sterben, damit wir wieder frei atmen können; und nun erleben wir das kaum Fassliche: diese russischen Sieger schäumen nicht vor Rachedurst, sondern sie bewahren uns vor dem Hunger; ja, mehr: sie wollen uns beim Neuaufbau unserer Gesellschaft helfen.“ („Reinickendorf 1945/46“, S.52 - s. Quelle)

Auf den Trümmern der zwölfjährigen Naziherrschaft

Wie bewältigten die Überlebenden die Zerstörungen, die Not, all das persönliche Leid?   

Im 20. Verwaltungsbezirk Reinickendorf lebten Ende 1945 über 180.000 Einwohner; das waren 3,8 %  weniger als vor dem Krieg. 17% (nach anderen Angaben 19,8 %) des Wohnraums war zerstört. Menschen aus stärker zerstörten Bezirken suchten hier eine Bleibe. Der Zustrom der Flüchtlinge aus dem Osten machte die Einrichtung von Flüchtlingslagern erforderlich; insgesamt 131.059 Flüchtlinge haben hier eine Unterkunft gefunden. (AB 23/46)

Erich Böhm blickte zurück:

„Als der Hitlerkrieg beendet war, war die Verwaltung in Reinickendorf zusammengebrochen. Verbrannte Archive, zerstörte Akten, leere Amtszimmer zeigten den Bankrott des Nazisystems und die Flucht seiner Beamten. In dieser Stunde wuchs aus den Massen der werktätigen Bevölkerung Reinickendorfs eine neue Verwaltung. Überall entstanden spontan antifaschistische Komitees, Volkskomitees usw., die Ordnung in das Chaos brachten, eine Volkszählung …organisierten und schließlich neue Ortsverwaltungen und ein neues Bezirksamt auf die Beine stellten.

Von diesen Organen wurden die Forträumung des Schutts von den Straßen organisiert, der Schulbetrieb wieder in Gang gesetzt, die Räume beschafft, die für die Unterbringung des von den Alliierten gelieferten Mehls notwendig waren, und schließlich die erste Brot- und Lebensmittelverteilung in Reinickendorf durchgeführt.“ (AB 24/46)

Französische Besatzungszone

Gemäß dem Alliierten Abkommen über die Aufteilung Berlins in vier Sektoren gehörten Reinickendorf  und Wedding nach kurzem britischen Intermezzo zur französischen Besatzungszone.  Bei der Übernahme am 12. August  1945 nannte General de Beauchesne  folgende drei Ziele der französischen Besatzungspolitik: „die Aufrechterhaltung der strengsten Ordnung, die Ausübung der vollsten Gerechtigkeit, die Gewährung der weitmöglichsten und unentbehrlichsten Hilfe an die Bevölkerung“. („Reinickendorf 1945/46“, S.37 - s. Quelle)

„Es darf keine Kritik an der alliierten Politik geduldet werden“, verlangte der  Chef der französischen  Militärregierung, General Lancon, in seinem Befehl vom 25.3.1946. „ Jede mehr oder weniger böswillige Bemerkung Frankreich gegenüber hat zu unterbleiben. Sämtliche Veröffentlichungen politischen Charakters unterliegen der Genehmigung des französischen Kommandanten des Bezirkes Reinickendorf.“ (AB, 14/46)

Das Amtsblatt veröffentlichte Urteile, die das TRIBUNAL INTERMEDIAIRE de Gouvernement Militaire Francais de Reinickendorf am 16.5.1946 gefällt hatte:  u.a. Wegener, Rudi, unrechtmäßiger Besitz von Waffen 8 Monate Gefängnis; Knobbe, Otto, Diebstahl alliierten Gutes, 8 Monate Gefängnis (AB 18/46)

Antifaschistische Parteien

Mit dem Befehl Nr. 2 der Sowjetischen Militäradministration vom 10. Juni 1945  zugelassen, bildeten sich auch in Reinickendorf  Bezirksverbände der KPD, SPD, CDU  und LDP.

Bis zum 15. 9.1945 hatte Reinickendorf seiner Weiträumigkeit wegen vier Bürgermeister:  Bezirksbürgermeister Erich Böhm (KPD bzw. SED) - im Amt seit Juni 1945 - und seine drei Stellvertreter Franz Neumann (SPD), Arthur Müller (KPD bzw. SED) und Hans R. Schneider (parteilos). Von den neun Bezirksräten gehörten vier der SPD, drei der KPD, SED und je einer der LDP und CDU an (23/46).

Da das Rathaus im Krieg zerstört worden war, „regierte“ das Bezirksamt in einem Gebäude der früheren Argus-Werke  in der Flottenstraße 28-42. Die Argus-Maschinenhalle war Treffpunkt  vieler politischer und gesellschaftlicher Veranstaltungen.

Es entstand ein Bezirksausschuss des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes  (FDGB). Eine Wirkungsgruppe Reinickendorf des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands nahm ihre Tätigkeit auf.  Engagiert  arbeitete der Ortsausschuss der Opfer des Faschismus. Gebildet wurden Frauenausschüsse im Bezirk und in den Ortsteilen. Bald nach Kriegsende entstanden antifaschistische Jugendgruppen. Das Bezirksamt unterstützte die Bildung von Jugendausschüssen im Bezirk und den Ortsteilen.

Im Gespräch mit den Bürgern

„Die Versammlung der Einwohner Reinickendorfs am 6.9.1945 in der Argus-Maschinenhalle hörte den Bericht der Bezirksverwaltung. Mit Freude und Genugtuung nahmen sie Kenntnis von den Erfolgen des wirtschaftlichen und politischen Neuaufbaues im Bezirk. Sie fordert weiterhin festen Kurs im Kampf gegen Faschismus und Saboteure des Aufbaus. Sie gelobt, zur Beseitigung der größten Not im kommenden Winter aktiv mitzuwirken und alle Lauen und Beiseitestehenden aufzurütteln. Sie spricht dem Bezirksamt und besonders Herrn Bezirksbürgermeister Böhm für die geleistete selbstlose und ehrliche  Arbeit ihren Dank und ihr Vertrauen aus.“ (AB 2/45)

Beratende Bezirksversammlung

 „Alle vier demokratischen Parteien haben ihre Vertreter in dieses provisorische Parlament entsandt, aber auch zahlreiche Parteilose gehören ihm als Vertreter der Bevölkerung an. … Da sitzt der Arbeiter neben dem Schulleiter, die Büroangestellte neben dem Ingenieur, der Gelehrte neben der Aufwartefrau.“ (AB 8/46)

Dem Gremium gehörten 110 Mitglieder an, darunter 18 Frauen.

„Die Mitglieder der BBV setzen sich aus allen sozialen und politischen Kreisen der Bevölkerung zusammen. Die Bevölkerung soll die Möglichkeit haben, sich an die Mitglieder der BBV mit Wünschen, Beschwerden und Anregungen zu wenden.“ AB veröffentlichte deshalb die Namen und Adressen sämtlicher Mitglieder. (8/46)

Die BBV tagte monatlich einmal. Die Tagungen waren öffentlich. Im Rahmen der BBV arbeiteten Kommissionen für Wirtschaft, Ernährung, Kultur, Frauen und Jugend.

Sprechstunden des Bezirksbürgermeisters und seiner Vertreter wurden für Montag, Mittwoch und Freitag von 10 bis 12 ½ sowie jeden Dienstag von 18-19 Uhr angekündigt. (AB 2/45)

In der ersten öffentlichen Sprechstunde beim Bürgermeister hatten sich fünf Ratsuchende eingefunden. „Als erster erscheint in seiner dunklen Arbeitstracht ein Schornsteinfegermeister. Der schwarze Mann berichtet, dass er nach seiner Ausbombung in eine Nazi-Wohnung eingewiesen worden sei, aus der nun durch den Beschluss einer amtlichen Stelle wieder hinausgesetzt werden soll, weil dem betreffenden Nazi (einem Aktivisten aus dem Propagandaministerium) die Wohnung wieder zugesprochen wurde.“

Ein aus dem Lazarett entlassener Kriegsgefangener, der an Tuberkulose leidet, ersucht um eine Erhöhung der Lebensmittelkarte. Eine junge Frau, anerkanntes Opfer des Faschismus, wurde das Recht zugesprochen, ein Ladengeschäft in R-West oder Tegel zu eröffnen. Ein älterer Herr beschwert sich, dass aus der Wohnung seines in Kriegsgefangenschaft befindlichen Sohnes  Gebrauchsgegenstände wie Lampen, Betten entwendet worden seien. Ein Schlächtermeister, der wegen antifaschistischer Haltung seines Berufes verlustig ging, protestiert gegen die Beschlagnahme von 469 kg Kartoffeln, die er für die Bestellung seines Pachtlandes verwenden wollte.

Der Bürgermeister versucht, die vorgetragene Angelegenheit zu klären  und zu helfen, „soweit dies mit den Vorschriften und Anordnungen der Kommandanturen in Einklang zu bringen ist.“ (AB 14/46)

Opfer des Faschismus

Dem Referat „Opfer des Faschismus“ im Sozialamt oblagen sämtliche Hilfsmaßnahmen für die Opfer des Faschismus und die Opfer der Nürnberger Gesetzgebung. (AB 23/46)

Nach Auskunft von  Bürgermeister Böhm in der BBV wurden bis Mai 1946 in Reinickendorf  300 O.d.F. anerkannt. 240 von ihnen sind Mitglieder der KPD, 24 der SPD, weitere Opfer des 20. Juli und Parteilose. („Reinickendorf 1945/46“, S.56 - s. Quelle)

Entnazifizierung

AB informierte über die Direktiven der Alliierten Kommandantur zur Überprüfung und Entfernung von ehemaligen Mitgliedern der NSDAP und den Alliierten feindlich gegenüberstehenden Personen (Anordnung 101 a). Von der Besatzungsmacht eingesetzt, wurden in den Bezirken siebenköpfige Kommissionen zur Entnazifizierung gebildet. (AB 24/46, „Reinickendorf 1945/46“, S.56)

„Der Vorsitzende, Herr Pauli, (von der SPD nominiert) selbst ein Antifaschist und ´Opfer des Faschismus´, ist ein in jeder Beziehung gerechter und sorgsamer Richter, der sich sowohl den Appellanten als auch seine Taten genauestens ansieht. Von dem gleichen Gerechtigkeitssinn sind auch die übrigen Mitglieder der Kommission erfüllt.“  (AB 18/46)

Reinlichkeitsbedürfnis. „Wo man hinblickt, wird große Wäsche gewaschen, der Charakter ausgewringt und das Herz reumütig umgewendet. Fast glaubte man, ein jüngstes Gericht sei angebrochen… Nun kommt man mit ordentlichen Bürsten versehen, um sich das Fell sauber kratzen zu lassen, um das letzte Tüpfelchen Braun vom blassen Teint hinwegzuretouchieren.

Wer lässt sich eigentlich denazifizieren? Hauptsächlich sind es solenne Handwerksmeister oder stadtbekannte Gewerbetreibende wie Schlächter, Bäcker usw., die sich darum bemühen, ihr gutes Ansehen und ganz nebenbei auch ihr beschlagnahmtes Geschäft zurückzubekommen…

Anständigkeit ist noch keine antifaschistische Tat. Wenn sich da ein Ingenieur damit brüstet, er hätte eine im Hause wohnende Jüdin bei sich telefonieren lassen und diese Handlung als eine antifaschistische Tat aufbläht, so ist dies kein Grund, diesen Mann als etwas anderes als einen Nazi zu werten. (AB 18/46)

„Es genügt nicht, wenn von einem sog. nominellen Mitglied der NSDAP bekundet wird, er hing nie eine Fahne hinaus oder ich habe sein Parteiabzeichen nie gesehen.“ (AB 15/46)

Rehabilitierungen!  „Trotz aller Anweisungen werden immer wieder Rehabilitierungen ehemaliger Mitglieder nationalsozialistischer Organisationen ausgestellt. Solche Erklärungen sind ungesetzlich und politisch nicht zu verantworten. Keine kommunale Stelle hat das Recht, solche Erklärungen auszustellen“, stellte Bürgermeister Böhm unmissverständlich klar. (AB 5/45)

Beherzte Frauen und Männer räumen auf, packen an

Eine „Trümmerfrau“ aus der Kopenhagener Straße, 34 Jahre alt, zwei Kinder, sie hat schon drei Jahre keine Nachricht von ihrem Mann, erzählt:

„…treu und brav (habe ich) meine Lore mit dem Straßendreck und den verbliebenen Trümmern aus der glorreichen Zeit hin- und hergeschoben. Und den nötigen Kohldampf dazu. Das war im vorigen Jahr eine verdammt harte Zeit, wenn wir abgekämpft uns auch noch stundenlang nach Brot anstellen mussten – vom Anstehen nach Fett und Fleisch ganz zu schweigen. … Frauen standen hier ihren Mann – bei zweiundsiebzig Pfennig Stundenlohn und Karte zwei.“ Die Forderung der SED versteht sie: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Auch für Frauen und Jugendliche soll das gelten.“  (AB 27/46)

Schwerer Neuanfang

Die Reinickendorfer Industriebetriebe  – „sämtliche an der Rüstung für den Krieg beteiligt, die Gebäude zum größten Teil stark beschädigt, die Maschinen ausgeglüht unter Trümmern und Schuttbergen“ - boten ein trostloses Bild .Was noch niet- und nagelfest war, verfiel der Demontage. Mit dem Rest wurde versucht, die Wirtschaft unseres Bezirkes neu aufzubauen.

Die Zahl der Betriebe wuchs von 94 mit 2.196 Beschäftigten im Juni 1945 auf 446 mit 16.757 Beschäftigten  im August 1946. Was wurde produziert? Feuerhaken, Gartengeräte , Handwagen, ein „zweckmäßiger Ofen zum Heizen und Kochen“ und andere Gebrauchsgüter. „Die Betriebe lebten und leben von der Substanz, die nun fast restlos verbraucht ist.“

Bis Ende August wurden  5.430 Gewerbegenehmigungen erteilt, davon etwa 2000 für Handwerksbetriebe. Interessant: Schneider*innen standen an der Spitze, gefolgt von Bäckern und Fleischern und dann Klempner, Rohrleger und Maler.

Am 10. Juli 1945 waren 85 815 Personen in Reinickendorf als Arbeitssuchende registriert. Lt. Aussage des Bezirksstadtrates standen ein Jahr später 38 500 Männer und 22 200 Frauen in fester Arbeit, davon 1800 Männer und 1700 Frauen bei der Besatzungsmacht. (AB 23/46)

Anfang April 1946 standen von 6661 Mädchen und 4435 Jungen im Alter von 14 und 21 Jahren Reinickendorfs 4448 Mädchen und 3298 Jungen im festen Arbeitsverhältnis. 1300 Jugendliche (fast ausschließlich Mädchen) wurden im Rahmen eines Jugendnoteinsatzes betreut. Dieser Einsatz wurde vom Bezirksjugendausschuss und dem Bezirksarbeitsamt in engster Zusammenarbeit mit dem Jugendamt, dem Sozialamt, dem Schulamt, dem Bauamt und dem FDGB geschaffen. (AB 12/46)

Warum werden keine Wohnungen gebaut? (AB 17/46)

„Aus allen Kreisen der Bevölkerung erhalten wir Notrufe über schadhafte  Dächer, überschwemmte Schlafzimmer und wackelnde Wände“, berichtete die Abteilung für Bau- und Wohnungswesen: Die nötigen Baustoffe stehen nicht zur Verfügung; hinzu kommt der Mangel an gelernten Fachkräften als Folge des Krieges. Baustoffe unterliegen nicht der amtlichen Kontrolle wie Brot und Fett, Schuhe und Hemden. Daher können auch in Zeiten allgemeiner Knappheit „hier und da Privatbauten ausgeführt werden.“  Was den Bezirk erreicht, wurde wie folgt verteilt:

1.    Befehlsbauten der Militärregierung

2.    Krankenhäuser, Schulen und Versorgungsbetriebe

3.    Winterfestmachung von Wohnungen

4.    Instandsetzung von leichtbeschädigten Gebäuden

„Seit Ende der Kampfhandlungen wurden in Reinickendorf 4 790 Wohnungen, 11 869 Wohnräume, 2 087 Gebäude und 593 Geschäftsräume instandgesetzt.   Sehr viel bleibt noch zu tun,…um die Wohnungsnot zu überwinden.“ (AB 23/46)

 „Pgs. müssen Platz machen. Zwischen der französischen Militärregierung und der Verwaltung von Reinickendorf ist… vereinbart worden, dass das französische Personal und seine Familien  bevorzugt in den Wohnungen ehemaliger Pgs. untergebracht werden sollen. Die ehemaligen Angehörigen der NSDAP werden durch das Wohnungsamt bei anderen Parteimitgliedern untergebracht. Mobilar, Wäsche, Geschirr sowie Haushalts- und Küchenutensilien sind von den Ausgewiesenen in den Wohnungen zurückzulassen.

Opfer des Faschismus und Wohnungssuchende, die nicht der Partei angehörten, werden ebenfalls bevorzugt in die freiwerdenden Wohnungen der Nazis eingewiesen.“ (AB 20/46)

Wie Reinickendorf die Kälte überwand

Einmalige Zuteilung von Holzbrandkohle für Kranke, Kleinkinder,  Schwerbeschädigte und 70jährige mit Genehmigung der Alliierten Kohlenverteilkommission unter Vorlage der Brennstoffkarte, von der zuständigen Kohlenstelle mit Stempel und dem Namen des Kohlenhändlers versehen (AB 8/46)

Die Holzaktion 1945/46

„Der erste Einschlag wurde durch die Bezirksvorsteherämter bzw. mit deren Unterstützung von Holz- und Kohlehandel durchgeführt. Auch beteiligten sich die vier demokratischen Parteien mit ihren ehrenamtlichen Helfern. Dazu stellte das Arbeitsamt dann noch 200 Mann zur Verfügung. Diese Männer standen 116 Tage im Einsatz und schlugen in 232 000 Arbeitsstunden 25 580, 80 Raummeter Holz. Zum Selbstschlagen wurden 3910 Raummeter freigegeben, ausschließlich für Betriebe und Organisationen. Durch diesen Einschlag hat Reinickendorf sein Holzkontingent vor Eintritt der großen Kälte hereinbringen und verteilen können. … Nach vorsichtiger Schätzung wurden etwa 15 000 Raummeter kostbaren Bauholzes im Walde gestohlen. … Die gleichmäßige und gerechte Verteilung des zur Verfügung stehenden Holzes ohne Unterschied der Person war und ist für die Kohlenstelle des Bezirksamtes Reinickendorf oberste Pflicht.“ (AB 18/46)

In Sorge um das tägliche Brot

Bereits im Juni 1945 trat das Bezirksernährungsamt in Funktion, gab einheitliche Lebensmittelkarten heraus. Seither konnte die Verteilung der Lebensmittel einheitlich erfolgen.  Die „ungeheuren Schwierigkeiten“ auf dem Ernährungsgebiet schienen oft unüberwindlich. „Immer wieder traten Stockungen in der Belieferung ein, es fehlten Kartoffeln, dann wieder Mehl, dann kam Fleisch in zu knappen Mengen in den Bezirk oder ganz unregelmäßig. … In der Gemüseversorgung ist der Bezirk Reinickendorf größtenteils auf sich selbst angewiesen. … In der Brachlandaktion steht Reinickendorf an der Spitze aller Bezirke. Wir erinnern allein an das großzügige Projekt, den Tegeler Schießplatz einer friedensmäßigen Bestimmung zuzuführen. …Die erste Ernte ist eingebracht.“ (AB 23/46)

Fett und Fisch für Reinickendorf. „Das Ernährungsamt gibt bekannt, dass ca. 25.000 kg Margarine für den 20. Verwaltungsbezirk angerollt sind und ca. 20.000 kg Fischfilet zur Verteilung gelangen werden. Mit letzterer Menge sind 50 %  des Fleischbedarfs unseres Bezirkes gedeckt.“ (AB 2/45)

 „Wo bleibt das versprochene Gemüse in Reinickendorf?“  erkundigte sich Ingeborg K. in einer Leserzuschrift: „Wo ist vor allem der Spargel geblieben?  … Wenn uns auch zum Spargel die gute Butter fehlt – eine gute Spargelsuppe möchte wir uns trotzdem gelegentlich gern einmal bereiten.“ (AB 15/46)

In der BBV wurden am  3.4.1946 unter TOP 2 und 3 die Brachlandaktion und die Bandenbekämpfung aufgerufen. Herr G. verwies darauf, dass es dem Bezirksamt gelungen sei, das notwendige Saatgut zu beschaffen. Er wandte sich gegen den unrationellen Anbau von Körnerfrüchten, während die Bebauung mit Kartoffeln und Rüben den doppelten Kaloriennährwert ergibt. Es fehlten landwirtschaftliche Geräte,  vor allem Brunnen und Gießkannen. Zum Schutz der Kleingärtner und zur Sicherung ihres Ertrages erwarte er ein Eingreifen der Besatzungsmacht, um des Bandenunwesens Herr zu werden. (AB 12/46)

Kleingärtner wollen ernten, was sie gesät haben.

AB stellte klar: Die Polizei kann nicht vor jeden Garten einen Polizisten stellen, der das Gemüse bewacht. Die Polizei-Reviere und die Polizeiwache werden ihren Streifendienst  zu jeder Tages- und namentlich zur Nachtzeit durch die Gebiete der Kleingärten ausdehnen. Der Leiter der Polizeiinspektion ist in letzter Zeit mit den Vorständen der Kleingartenkolonien des Bezirks zusammengetroffen und hat an Versammlungen der Kleingärtner teilgenommen, bei denen besonders die Abwehrmaßnahmen durch die Kleingärtner s e l b s t besprochen wurden. Durch die Ortsverwaltungen wird  - von der Polizei auf Zuverlässigkeit überprüft - ein organisierter Selbstschutz eingerichtet, der mit Signalpfeifen und Armbinden ausgestattet wird. (AB 17/46)

„Hamsterer schärfer anpacken!“ verlangt A.I. aus Borsigwalde. „Wenn man abends müde und abgespannt von der Arbeit nach Hause will und ins Abteil drängt, ist das meistens schon von Hamsterern belegt, die alle Bänke, Ecken und Winkel mit ihrem Hamstergut vollgeladen haben. ...Unsere Polizei soll in Bezug auf die Hamsterer mal nicht so zach sein.“ (AB 11/46)

Lebenswichtig: Sauberkeit trotz Seifenmangel

Amtsarzt Dr. Max Klesse (Gruppe „Mannhart“) und sein Nachfolger  Dr. Blos machten sich daran, das Gesundheitswesen wieder aufzubauen. Ruhr und Typhus flammten auf.  Das AB nennt Zahlen über die Zunahme an Geschlechtskrankheiten, Tuberkulose, Malaria. Das zum Infektionskrankenhaus umgewandelte Lazarett Hermsdorf  reichte nicht. Die Krankenhäuser Wittenau und Holländer Str. wurden Typhuskrankenhäuser; ein neues wurde in Tegel-Süd errichtet, das  größte und besteingerichtete „Erwin-Lieck-Krankenhaus“ dagegen von der französischen Besatzungsbehörde beschlagnahmt.

Zur Bekämpfung der Infektionskrankheiten wurden wichtige Maßnahmen ergriffen. Die Zwangsimpfung(!) der gesamten Bevölkerung gegen Typhus führte  zum Sinken der Erkrankungszahlen. Nun drohte das „Gespenst einer neuen, weit gefährlicheren Seuche“, des Fleckfiebers. „Ohne Kleiderlaus kein Fleckfieber!“ Bürgermeister Böhm rief zum Kampf gegen die Verlausung auf. Entlausungsanstalten werden in Tegel (gegenüber dem S-Bahnhof) und in Wittenau im Rückwandererlager in der (Graf-)Roedernallee eingerichtet. Die Entlausung war kostenlos. (AB 4/45, 23/46)

„Barfußlaufen ist gesund!“ forderte  Amtsarzt Dr. Blos. „Wenn man durch die Schulklassen geht, ist man weniger erschüttert über die schlechte Qualität als über den schlechten Sitz der Schuhe, die in den meisten Fällen entweder zu groß oder zu klein sind.“ (AB 17/46)

Die Not lindern

„Die Arbeit des Amtes für Sozialwesen dient der Linderung der Not aller derjenigen, die unverschuldet in die Lage gekommen sind, öffentliche Hilfe zu suchen. Dies ist keine Angelegenheit der Wohltätigkeit, es ist eine gesellschaftliche soziale Verpflichtung.“

Im August 1946 mussten 10 500 Familien mit 19 3000 Angehörigen, nicht mitgezählt die Flüchtlinge, Heimkehrer und entlassenen Kriegsgefangenen, d.h. über 10 % der Reinickendorfer Bevölkerung unterstützt werden. Vom 1.6.1945 bis 31.8. 1946 wurden 11 240 764 RM gezahlt. Hinzu kommen Mietbeihilfen in 109 429 Fällen. (AB 23/46)

Faschistischen Unrat aus den Köpfen entfernen

„Reinickendorf war der erste Bezirk, in dessen Schulen wieder ein ordnungsgemäßer Unterricht durchgeführt werden konnte. In einigen Schulen setzte der Unterricht bereits Mitte Mai 1945 ein; vier Wochen später waren sämtliche Schulen des Bezirkes wieder in Betrieb, und zwar: sechs Oberschulen, zwei Mittelschulen, 24 Volksschulen, eine Hilfsschule und eine Berufsschule. Am 15. September wurde auch die Schulfarm Scharfenberg unter der neuen Leitung ihres Begründers Blume wieder eröffnet. …Etwa ein Drittel der Lehrerschaft musste wegen Zugehörigkeit zur NSDAP aus dem Amte entfernt werden; an ihre Stelle traten sorgfältig ausgewählte Laienkräfte (Schulhelfer). …Der Gebrauch der bisher benutzten Lehr- und Lernbücher  (wurde) streng untersagt.

Trotz Raum- und Kohlennot war es auch im Winterhalbjahr möglich, einen wenn auch beschränkten Unterricht durchzuführen. …Durch die Neueinschulung von etwa 3700 Lernanfängern ist in allen Ortsteilen eine fühlbare Schulraumnot eingetreten, sodass schon jetzt elf Schulen in zwei Schichten unterrichten müssen.“

Die Zahl der Schüler stieg von 12 226 am 1.6.1945  auf 23 180 am 1.9.1946, die Zahl der Lehrkräfte entsprechend von 314 (darunter 83 Schulhelfer)  auf 594 (mit 149 Schulhelfern).

„In Klassen- und Schulelternversammlungen und Versuchen mit der Schülerselbstverwaltung wurden die ersten Schritte zu einer Demokratisierung des Schulwesens getan. Der Unterricht erfuhr stofflich eine Ausrichtung in demokratischem und antifaschistischem Sinn. Der Nürnberger Prozess wurde in allen Schulen ausführlich behandelt; in Verbindung damit konnte mit Hilfe der französischen Besatzungsbehörden den älteren Schülern der Film „Die Lager des Grauens“ gezeigt werden (mit sichtlichem Erfolg).“ (AB 23/46)

Eine vollkommen neue Erscheinung im Kulturleben Reinickendorfs ist die Volkshochschule.  Eröffnet Ende August 1945, wurden neben Sprachkursen in allen Ortsteilen Vortragsserien über Philosophie, Soziologie, Kunstgeschichte, Naturgeschichte und Geschichte sowie praktische und berufsfördernde Kurse abgehalten. …Von anfänglich 250 Hörern ist deren Zahl nunmehr auf 2200 angewachsen.  (AB 23/46)

Gute Bücher

„Außer den zehn Volksbibliotheken, die unter städtischer Verwaltung stehen, haben wir in Reinickendorf – ebenfalls auf alle Stadtteile verteilt – noch 23 private Leihbüchereien. …Eine sich über viele Monate erstreckende mühselige Arbeit war nötig, um sowohl die Volksbüchereien als auch die privaten Leihbüchereien von nazistischer und militaristischer Literatur zu säubern. Es gab und gibt keinen allgemein gültigen Index.“ (AB 23/46)

Hoffnungen  und Erwartungen

„Der Zusammenbruch der bombastischen Hitlerlügen … und der Scherbenhaufen von unerfüllbaren Zukunftsversprechungen, vor dem die Jugend im Frühjahr 1945 plötzlich stand, hatten ein tiefes Enttäuschtsein und eine Glaubens- und Hoffnungslosigkeit hervorgerufen, die nur allmählich überwunden werden können.“ (AB 26/46)

Werner F. aus Heiligensee  wandte sich in der Zeitschrift „Junges Leben“, herausgegeben vom Bezirksamt,  mit einem Wort an die Erwachsenen: „Die Masse der Jugend beteiligt sich heute  am Wiederaufbau; doch wollt Ihr Älteren die noch gefährdete Jugend wieder auf den richtigen Weg bringen, so rufen wir Euch zu, seid Vorbild!“  (AB 22/46)

Der Hermsdorfer Student Peter Theek forderte vom Kulturbund, in Verbindung mit den Schulbehörden zu garantieren, „dass in deutschen Schulen nie wieder Kriegsgeschichte gelehrt wird, keine menschenmordenden Heerführer als die Größten der Geschichte hervorgehoben werden, und seien es noch so klassische Gestalten, sondern dass derer gedacht wird, die teilweise unter großen Opfern und Entsagungen ihr Leben dem kulturellen und zivilisatorischen Fortschritt der Menschheit weihten.“ (AB 22/46)

„Nie wieder Krieg!“

„Die Argushalle, der zahlreiche Waffen für Hitlers verbrecherischen Krieg entstammen, wird vom 25. Oktober bis zum 11. November 1945 zum Mittelpunkt eines ganz besonderen Ereignisses werden: Kinderplakate und Kinderzeichnungen gegen Krieg und Nazismus werden die Wände und Tische bedecken. Sie entstammen einem vom Volksbildungsamt veranstalteten Schülerzeichenwettbewerb unter den Schulen des 20. Bezirkes.“ (AB 2/45)

„Rettet das Kind!“

„Wenn jemand unschuldig ist an dem verbrecherischen Krieg, dann sind es unsere Kinder, die doch am meisten unter seinen Folgen leiden. Die Not des Winters lastet am schwersten auf ihnen“, erklärte der  Hauptausschuss „Opfer des Faschismus“ am 7. Oktober 1945. Seinem Aufruf zu einem großen Hilfswerk folgten  60 „verantwortliche  Frauen und Männer aus allen Bevölkerungsschichten“ Reinickendorfs „mit ihrem Namen und ihrer Persönlichkeit“. Arbeitsausschüsse im Bezirk und den Ortsteilen entstanden und halfen, die erste Friedensweihnacht zu einem wirklichen Fest für die Kinder zu gestalten. (AB 3/45)

Der Reinickendorfer Weihnachtsmann war unterwegs…

In Frohnau ließ der Aktionsausschuss an alle Kinder Wunschzettel verteilen und erreichte es, dass alle „weitgehendst“ ihre Wünsche erfüllt bekamen. Runde 100 Zentner Spinnstoff wurden gesammelt. Gr0ßen Anteil hatten die Gruppen der KPD und der CDU durch die Schaffung von Bastelstuben und die Organisierung von Veranstaltungen und Sammelaktionen.

In Hermsdorf wurden 36 000 RM gesammelt, dazu ganze Berge brauchbarer Spinnstoffe und zur Umarbeitung geeigneter Kleidungsstücke. Im Lindengarten wurde am 8./9. Dezember bei Tanz und Spiel, Gesang und Klang eine große Tombola veranstaltet.

InHeiligensee wurden 24 000 RM gespendet und 500 kg Mehl, Zucker, Fett und Sirup für Pfefferkuchen zusammengetragen. 3100 Kinder und 130 Flüchtlingskinder wurden beschert. Jedes Kind wurde mit einem Spielzeug bedacht. Die Hälfte aller ortsansässigen Kinder konnte mit warmer Kleidung versehen werden. Der Gastwirt Kerfin in der Hennigsdorfer Str. lud am 23. Dezember 100 bedürftige Kinder zu einer Weihnachtsbescherung ein, wobei jedes Kind ein warmes Essen erhielt. (AB 5/45)

In R-Ost wurde durch das tatkräftige Eintreten des Ausschusses „Opfer des Faschismus“ mit einer Schulspeisung begonnen. Jedes Kind erhielt zunächst zweimal wöchentlich ein warmes Mittagessen.

In Tegel wurden 8 600 Kinder mit Spielzeug, Kleidung, einem Buch oder einer Karte für eine Märchenaufführung beschenkt. Künstler, Chöre und Orchester traten kostenlos auf.  Dem Ortsausschuss gelang es, 1000 Reclam-Bändchen aufzutreiben, die den älteren Jungen und Mädchen überreicht werden konnten.

In Lübars nähte der Frauenausschuss unter Beteiligung von 20 Frauen 930 Kleidungsstücke. Als besondere Überraschung kamen 40 Weißbrote und 20-30 Paar Würstchen auf den Gabentisch. Die Friseure hatten 10 Gutscheine für Haarschnitte gespendet.

In Hermsdorf wurden 45 000 RM gesammelt. 2800 Kinder erhielten Geschenke in acht Veranstaltungen .Nicht vergessen wurden die Kinder in den Kinderheimen und Krankenhäusern. Ein besonderes Verdienst erwarb sich der Jugendbautrupp  mit 500 größtenteils selbstgefertigten Spielsachen.

In Waidmannslust feierten 800 Kinder im vom örtlichen Handwerk wiederhergestellten Bergschloss. Jedes Kind erhielt 250 g Pfefferkuchen und eine Flasche flüssige Seife. Musikalische Weihnachtsgrüße überbrachte die Waidmannsluster Chorvereinigung den 50 Flüchtlingskindern. (AB 2/45, 3/45, 5/45, 6/46 )

… dreht sich ein Karussel.

Der Höhepunkt war die Eröffnung des Weihnachtsmarktes in der Argushalle in der Kopenhagener Straße. „Weihnachtsbäume schmücken die Halle. An langen Tischen zeigen die einzelnen Organisationen, allen voran der Frauenausschuss als Träger…, dann die Jugendausschüsse, der Hauptausschuss „Opfer des Faschismus“, die Kirchengemeinden die liebevollen Taten ihres guten Werkes. Reizvolle und nützliche Geschenke und Kleidungsstücke, oftmals aus unverwendbaren Militärsachen verfertigt, entlocken uns manchen bewundernden Blick – und auch manchen begehrlichen. Viele kleine Kunstwerke sind darunter- so die Arbeiten der Waidmannsluster und die Basteleien der „Freien Scholle“ stehen nicht zurück. Im Mittelpunkt der Halle aber dreht sich ein Karussel.“ (AB 5/45)

Bürgermeister Böhm würdigte die außerordentlich rege Beteiligung der Reinickendorfer an der Aktion „Rettet die Kinder!“ „An unseren Kindern tragen wir die Schuld unserer Generation ab. Ihnen ein neues lichtes Haus zu zimmern in einem freien demokratischen Deutschland – das sei unser Gelöbnis zur Friedensweihnacht 1945.“ (AB 4/45)

„Sommerfreude der Berliner Kinder“

Seit dem 29. Juli tummeln sich etwa 1400 Kinder auf fünf Ferienplätzen  in Tegel, Tegelort, Wittenau, Alt-Heiligensee und Rdf-West. Die Kinder erhalten dreimal täglich eine Mahlzeit, die sich aus der Schulspeisung und den zusätzlichen Spenden des Internationalen Roten Kreuzes zusammensetzt. Ebenso werden Bonbons und Knäckebrot verteilt. (AB 20/46)

Was sonst noch passierte?

Unter Verordnungen und Bekanntmachungen war u.a. zu lesen:

Neue Straßennamen im Bezirk. 15 Straßen in Tegel, Waidmannslust, R-Ost und –West wurden z.T. nach Antifaschisten umbenannt, so die Hatzfeld-Allee in Hans-und Hilde-Coppi-Allee, die General-Barby-Straße in Ernst-Beuthke-Straße. Nach der politischen Spaltung Berlins wurden die Umbenennungen rückgängig gemacht; nur die Gorkistraße und die Klemkestraße  behielten ihre neuen Namen. (AB 11/46)

Ausschankpreise für Bier mit einem Stammwürzegehalt von 2% in den Gaststätten: 0,50 Liter: Preisgruppe I 0,69 RM,II 0,79 RM, III 1,04 RM. (AB 18/46)

Aus den Strafbescheiden des Preisgerichtes beim Bezirksamt vom 27. Juli 1946:

Statistik der Standesämter über Personenstandsfälle von Mai 1945 bis Februar 1946. Ein Beispiel: Im Mai 1945 wurden im Standesamt Wittenau 1Eheschließung, 35 Geburten und 377 Sterbefälle  (101 – 16-45, 251 – ält.) registriert. Im Dezember 1945 gab es 21 Eheschließungen, 22 Geburten und 381 Sterbefälle (50 – 322). (AB 18/46)

AB gibt notwendige Tipps für den Suchdienst für vermisste Deutsche. (AB 26/46)

Willkommen zu Hause

Das Bezirksamt und der mit dem Empfang beauftragte Frauenausschuss begrüßen die Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft. „Mit dem Begriff Heimkehr sind stets unsere größten Hoffnungen und schönsten Erwartungen verknüpft.“  Es soll ein Festtag sein „für Euch und für uns – für uns, weil wieder notwendige, lang entbehrte Hände unsere Reihen verstärken helfen … In den nächsten Tagen werden Euch Eure Wege oft zu uns führen. Wir werden uns alle Mühe geben, Euch zu helfen …Erwartet aber keine Wunderdinge von uns … Wir wissen, dass viele unserer Entscheidungen hart sein müssen, weil eben die Verhältnisse hart sind. Viele von Euch werden in neue Berufe einsteigen müssen. (AB 11/46)

Erste freie Wahlen

„Der Wundersack der Wahlversprechungen wird über uns ausgeschüttet. Die Wände unserer Häuser und Ruinen sind Wunschzettel geworden. …Was heute jeder verspricht, das muss er auch halten. Wir schauen dem Gewählten nicht aufs Maul, wie August Bebel einst sagte, sondern auf die Finger. Wir gehen einen Schritt weiter und sagen: Wir prüfen, was du tatest, und sehen, was du tust. Die Taten der Bezirksverwaltung liegen klar vor aller Augen. Es sind Taten entschlossener und ehrlicher Antifaschisten, es sind die menschenmöglichen Leistungen beispielhafter Demokratie.“ (AB 24/46)

In ihrer letzten Sitzung am 9.10.1946 sprach die BBV „der Verwaltung für die bisher geleistete Arbeit ihr volles Vertrauen aus und wünscht, dass die Zusammenarbeit der vier Parteien nach dem 20. Oktober fortbestehen möge“. (AB 24/46)

Neuer Beginn

Bei den Gemeindewahlen am 20.10.1946  erreichte die SPD  51,9 % der Stimmen (22 Sitze),  die CDU – 20,9 % (8), die SED – 18,2 % (7) und die LDP – 9% (3).

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wählte am 9.12.1946 Adolf Dünnebacke, „Freie Scholle“  einstimmig zum neuen Bezirksbürgermeister. Der SPD-Politiker sah in der Einmütigkeit eine gute Grundlage  „für die künftige gemeinsame Arbeit an einem gemeinsamen Ziel, dem Neuaufbau Reinickendorfs in seinen geistigen, wirtschaftlichen und politischen Bereichen.“ (AB 28/46)

Cpt. Jolyvan von der französischen Kommandantur wies auf die Bedeutung der Wahlen hin. „Dann richtete er seine Anerkennung an die Adresse des von den Besatzungsbehörden eingesetzten, jetzt ausscheidenden Bürgermeisters für die geleistete anstrengende  Arbeit. Diese Arbeit muss in ihren Hauptzielen unter der Kontrolle der Militärregierung fortgesetzt werden. Überall noch finden wir Spuren des nazistischen Krieges und des von ihm gesäten Hasses.“

In einer Erklärung machten „die vier antifaschistischen Parteien“ der BVV auf  „Anzeichen für die Wiederauflebung nazistischer Tätigkeit“ in Reinickendorf  aufmerksam und riefen „zu erhöhter Wachsamkeit gegenüber jenen Elementen auf, die Deutschland ins Unglück gestürzt haben.“

Als Vorsteher der BVV wurde Robert Rohde, ein Böttchermeister aus Waidmannlust, einstimmig gewählt. In seiner „Programmrede“ erklärte der SPD-Politiker „ als Beauftragter der vier Parteien dieses Parlaments“, „dass unser Sehnen und Streben die Einheit Deutschlands sein wird. Wir werden alles unterstützen, was diesem Ziel der wirtschaftlichen und politischen Einheit Deutschlands dient, und jeden bekämpfen, der sich diesem Ziel hindernd in den Weg stellt oder seine Verwirklichung verzögert.“ (AB 28/46)