Rollberge in Aufruhr
Wir in Reinickendorf • 11/2009
Mieterinitiative wehrt sich gegen die GSW
Der Verkauf der GSW an die US-Finanzinvestoren Cerberus und Whitehall war vermutlich die größte Kröte, die die damalige PDS 2004 in der ersten Legislaturperiode von Rot-Rot in Berlin schlucken musste. Zwar hat der Senat damals in den Verkaufsvertrag Klauseln hineingeschrieben, die verhindern sollten, dass die Mieter von der Heuschrecke ausgeplündert werden. Doch wie wirksam diese sind, oder eben nicht, zeigt sich erst später.
Zur GSW gehört auch die Rollberge-Siedlung in Waidmannslust. Dort hat sich eine Mieterinitiative gegründet, die gegen die überhöhten Betriebskosten kämpft. Nachforderungen in vierstelliger Höhe waren keine Ausnahme. Den Mietern fielen u.a. Rundungsfehler und falsche Überträge auf. Da viele Leistungen von ausgelagerten Tochterfirmen der GSW erbracht werden, liegt der Verdacht künstlich überhöhter Preise nahe. Außerdem wird der tatsächliche Leerstand von Wohnungen verschleiert, im Frühjahr 2009 tauchten über Nacht neue einheitliche Klingelschilder an leerstehenden Wohnungen der Rollberge-Siedlung auf.
Kurz nach den ersten Protesten im Sommer 2008 bot die GSW-Ombudsfrau, Ex-Senatorin Ingrid Stahmer (SPD), der Initiative 35.000 € an, wenn dann Ruhe wäre. Bei rund 1.000 damals betroffenen Mietern wären das im Durchschnitt 35 € pro Wohneinheit gewesen. Demgegenüber standen Nachzahlungsforderungen bis zu 1.200 €. Lt. Frau Stahmer sollten damit langwierige Einzelfallprüfungen vermieden werden. Ca. 500 € fehlerhafte Abrechnungsposten pro Mieter auf den gesamten Bestand der GSW (74.000 Wohneinheiten) hochgerechnet ergeben 37 Mio. € jährlich!!! (Netter kleiner Beitrag zu den 100 Mio. € Gewinn pro Jahr, die die GSW ausweist, um an die Börse zu gehen.)
Von bisher 50 eingeleiteten Verfahren hat die Mieterinitiative bislang 26 in erster Instanz gewonnen. Erstaunlicherweise erhalten, Mieter, die Einspruch erhoben haben, inzwischen moderate Abrechnungen, z.T. sogar Rückzahlungen.
Anders bei Mietern, die Hartz-IV beziehen, hier zahlt der Steuerzahler die Zeche! Diesen Verdacht hat auch Reinickendorfs Sozialstadtrat Andreas Höhne (SPD). Leider prüfen die JobCenter nicht von sich aus die Betriebskosten. Dafür fehlten die Kapazitäten. Bei den Mietervereinen hat man diese Kompetenzen. In Hamburg z.B. können Hartz-IV-Empfänger vergünstigt Mitglied im Mieterverein werden und die Betriebskosten prüfen lassen im Gegensatz zu Berlin. Hier lassen die Aktivitäten des Mietervereins viel zu wünschen übrig.
Wolfgang Dangel ging in die Öffentlichkeit. In mehreren Zeitungsartikeln wurde über die Lage berichtet. Mitten im heißen Bundestagswahlkampf fand dann am 19. September eine Mieterversammlung in der Rollberge-Siedlung statt, zur der mehrere hundert Mieter der GSW aus ganz Berlin kamen. Klaus Wowereit ließ sich zwar entschuldigen, aber die Direktkandidaten der Bundestagsparteien ließen sich einen Auftritt nicht nehmen. Frank Steffel (MdB, CDU) lud am 9. Oktober zu einem Runden Tisch ins Rathaus. Mit dem Ergebnis ist Wolfgang Dangel noch nicht zufrieden.
Das wohnungspolitische Programm der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, das er von Felix Lederle (DIE LINKE) erhielt, gefällt ihm dagegen gut. Ergebnis eines Gesprächs mit Uwe Doering, wohnungspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, werden einige parlamentarische Anfragen zum Gebaren der GSW sein. Die erste erfolgte im Bauausschuss vom 4. November nach möglichen Folgen des von Cerberus und Whitehall für 2010 geplanten Börsenganges. Wie sich das mit der Verpflichtung verträgt, die GSW-Anteile für mindestens 10 Jahre zu halten? Senatorin Junge-Reyer (SPD) weiß von den Börsen-Plänen schon seit über 9 Monaten und spielte im Ausschuss mögliche Folgen herunter. Dies quittierte Dangel mit ungläubigem Staunen und Wut, hatte sie doch am 15. Oktober anlässlich eines Gesprächs im Casino des Abgeordnetenhauses Unwissenheit geheuchelt: „Um was geht es eigentlich?“ und nach Erläuterung des Sachverhaltes „Ja wie soll es denn nun weitergehen?“ die Mieterinitiative gefragt. In den Augen Dangels ist dies ein Armutszeugnis für eine Senatorin. DIE LINKE wird dran bleiben.
Das Soziale Wohnen wird einer der Schwerpunkte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus in den nächsten Jahren. Da das Mietrecht aber Bundesangelenheit ist, wird die Umsetzung schwer. Schließlich hat die neue Bundesregierung vor, die Rechte der Vermieter gegenüber den Mietern zu stärken – statt umgekehrt!
Lutz Dühr,
Mitglied der LAG Städtebau und Wohnungspolitik