BVV-Report zur 23. Sitzung

Felix Lederle

Nein zum Doppelhaushalt 2024/25

Der Doppelhaushalt 2024/25 für den Bezirk Reinickendorf wurde von der BVV am 13.9. ausschließlich mit den Stimmen von CDU und SPD beschlossen. Felix Lederle stimmte für DIE LINKE. Reinickendorf mit NEIN. Die Gründe hierfür liegen auf der Landesebene.

Zweimal hat DIE LINKE. in der BVV Reinickendorf dem Bezirkshaushalt in den letzten Jahren zugestimmt. Seinerzeit wurde aber nicht zuletzt auf Druck der LINKEN Berlin in Regierungsverantwortung im Senat, der den Rahmen der bezirklichen Haushaltsaufstellungen festlegt, die jahrzehntelange Politik des Kaputtsparens der Bezirke beendet und wieder kräftig in die Bezirke investiert. Der neue CDU-SPD-Senat hat zwar erfolgreich mit der Devise Wahlkampf gemacht, man wolle dafür sorgen, dass die Stadt wieder besser funktioniert. Mit der fehlerhaften Plafondsermittlung 2024/25 und der deutlich zu niedrigen Globalsummenzuweisung des Senats an die Bezirke hat sich dieser Senat allerdings bereits wenige Monate nach der Regierungsbildung von diesem Ziel verabschiedet, denn ein Großteil der bürgernahen Dienstleistungen wird durch die Bezirke erbracht und dafür braucht es dann auch ausreichend Ressourcen für die Bezirke, die ihnen aber vom neuen Senat vorenthalten werden.

Der Haushalt für Reinickendorf ist handwerklich und technisch in Ordnung. Wir haben eine bessere Haushaltslage als viele andere Bezirken, den zweithöchsten Jahresabschluss und der Budgetgewinn nach Kosten-Leistungs-Rechnung (KLAR) war in Reinickendorf am dritthöchsten. Deshalb konnten wir es uns im Gegensatz zu den meisten anderen Bezirken leisten, eine nur moderate Pauschale Minderausgabe im Haushalt einzustellen. Wir können mit dem Haushalt verhindern, dass ganze Projekte abgewickelt und Angebote gänzlich gestrichen werden, was ein Erfolg ist. Auch für die Flotte Lotte wurde am Ende pragmatisch eine KLR-kompatible Lösung gefunden, wofür dem Bezirksamt zu danken ist.

Ein großes Ärgernis ist seit vielen Jahren, dass das System der Kosten-Leistungs-Rechnung zu Fehlanreizen führt, weshalb es dringend überarbeitet werden muss und es ist positiv zu bewerten, dass die neue Bezirksbürgermeisterin dies auch so sieht und deutlich anspricht. In der KLR-Logik wird ein Bezirk z.B. für Leistungen der gesundheitlichen Versorgung von Wohnungslosen, aber auch zahllose andere zusätzliche soziale Leistungen quasi bestraft und bleibt dann am Ende auf den Kosten sitzen, als sei er nicht kostensparend mit öffentlichen Mitteln umgegangen.

Ein weiteres großes Ärgernis ist, dass das Konnexitätsprinzip regelmäßig missachtet wird, vom Land und auch vom Bund gegenüber den Kommunen. Wenn das Land aktuell die Einbürgerung zentralisiert, wandern die entsprechenden bis dahin in den Bezirken angesiedelten Stellen mit in Richtung Land. In die andere Richtung funktioniert es in der Regel nicht bzw. ist es so, dass durch Land und Bund zugewiesene, zusätzliche Aufgaben für die Bezirke nicht einhergehen mit einem entsprechenden Ressourcenaufwuchs zur Umsetzung dieser Aufgaben, was aktuell zahllose Bereiche von der Digitalisierung über das Standesamt, die Umsetzung des Selbstbestimmungsgesetzes, den Aufbau von sozialer Infrastruktur im Zusammenhang mit dem AKUZ oder den Genehmigungsprozess Tegel-Nachnutzung betrifft.

Unter den gegebenen Umständen einer strukturellen Unterfinanzierung der Bezirke muss es durchaus auch als Erfolg gelten, dass es im Bezirk gelungen ist, die in den letzten Jahren geschaffen Stellen / Vollzeitäquivalente zu verstetigen und überhaupt zumindest ein paar wenige neue Stellen zu schaffen. Darunter die Koordinationsstelle zur Prävention von Kinder- und Familienarmut, für die DIE LINKE. Reinickendorf anderthalb Jahre gekämpft hat bis unser Haushaltsantrag nun endlich angenommen wurde. Leider ist es hingegen nicht gelungen, Finanzmittel für die Stelle einer oder eines Beauftragten für Gute Arbeit im Haushalt zu verankern, obwohl den Bezirken seinerzeit auch hierfür Landesmittel gewährt wurden, die allerdings im Bezirk von der seinerzeitigen Ampel-Zählgemeinschaft anders verwendet wurden und obwohl es gerade in Zeiten multipler Krisen, wo Arbeitskosten und Arbeitsbedingungen unter Druck geraten, einen großen Bedarf für diese Stelle gibt. Insgesamt war der Spielraum für zusätzliche Stellen von Anfang an deutlich zu begrenzt und es werden nun auch in den kommenden beiden Jahren viele wichtige Personalstellen in vielen Abteilungen schmerzlich fehlen. 

Insgesamt führen die fehlerhafte Plafondsermittlung mit dem Ausnahmejahr 2022 als Basis und der vom CDU-SPD-Senat deutlich zu niedrig gebildete Bezirksplafonds 2024/25 mit Blick auf alle Bezirkshaushalte 2024/25 zu erheblichen Problemen beim Teilplafonds Personal, beim Transfer-Teil und den sonstigen Sachausgaben, wie alle zwölf Bezirksbürgermeister am 20.6.23 in einem Brief an den Regierenden Bürgermeister und die Senatsfinanzverwaltung festgestellt haben. Alle Bezirkshaushalte und auch der vorliegende Haushalt für Reinickendorf bergen erhebliche und deutlich größere Haushaltsrisiken als in der Vergangenheit. Nicht angemessen berücksichtigt wurden vom Senat u.a. die notwendigen Mehrausgaben und Transfers im sozialen Bereich angesichts einer sich zuspitzenden sozialen Lage und vieler nicht zuletzt ukrainischer Kriegsflüchtlinge in der Stadt. Nicht ausreichend berücksichtigt wurden die Preissteigerungen beim Bauen in Höhe von durchschnittlich 16 bis 18,5 % in Berlin, die gestiegenen Energiekosten sowie die allgemeine Preissteigerung und Inflation seit dem Ukraine-Krieg. Somit sind alle Bezirke abhängig von zukünftigen Ausgleichszahlungen und werden alle Bezirke von diesem Senat an die kurze Leine gelegt, anstatt allgemein bekannte Mehrkosten adäquat zu berücksichtigen und die Bezirke von Anfang an seriös mit ausreichend Finanzmitteln auszustatten. Auch wenn der Senat aufgrund des politischen Drucks aus den Bezirken in der Zwischenzeit 100 Mio. Euro für die Bezirke oben drauf gelegt hat, fehlen für eine realistische und einigermaßen auskömmliche Finanzierung der Bezirke ohne erhebliche Haushaltsrisiken nach Einschätzung der Expertinnen und Experten des Unterausschuss Bezirke, Personal und Verwaltung des Abgeordnetenhauses mindestens weitere 150 Mio. Euro, um die Leistungen in bisheriger Quantität und Qualität fortsetzen zu können.

Unbestritten ist, dass die gesamtkonjunkturelle Entwicklung in Berlin und in ganz Deutschland in Folge des Ukraine-Kriegs mittlerweile besorgniserregend ist und sich die Einnahmesituation der öffentlichen Hand verschlechtert hat. Niemand weiß, ob die Basiskorrektur in der Zukunft, die notwendigen Ausgleichszahlungen des Senats an die Bezirke mit Blick auf gestiegene Energiekosten für die öffentlichen Gebäude, mit Blick auf Baukostensteigerung und Inflation und steigende Transfers auskömmlich sein werden. Sind sie es nicht, muss auf Bezirksebene im schlechten Fall großflächig gespart werden, wodurch dann Kürzungen beim Personal und bei den sogenannten freiwilligen sozialen Leistungen drohen, weil es kaum andere kurzfristige Einsparmöglichkeiten auf Bezirksebene gibt. Ohnehin sind die meisten Finanzmittel gebunden, um gesetzliche Pflichtleistungen zu erbringen und beläuft sich der gesamte gestaltbare Anteil an der Globalsumme, über den der Bezirk Reinickendorf verfügen und entscheiden kann, auf gerade einmal 1,9 % und das mit sinkender Tendenz. Für DIE LINKE. ist ganz klar: Eine weitere Reduzierung von Angebotsstunden bei freien Trägern auf Bezirksebene wäre verantwortungslos und ist mit uns nicht zu machen, denn dann droht bei vielen Trägern eine Situation, dass dann nicht mehr rentabel und wirtschaftlich gearbeitet werden kann, zumal mit Blick auf die aktuellen Miet- und Energiepreise.

Gleichzeitig hat der Senat auf Landesebene alle Rücklagefonds der Vorgängerregierung aufgelöst und eine pauschale Minderausgabe von 1,5 Mrd. Euro vorgesehen, die im laufenden Haushalt des Abgeordnetenhaues eingespart werden sollen und dazu kommen noch Pauschale Minderausgaben der Einzelverwaltungen auf Landesebene und zusätzlich Mittel in Höhe von ca. 400 Mio. Euro, die die Koalitionsfraktionen im Abgeordnetenhaus für ihre Lieblingsprojekte ausgeben wollen. Bleibt vor diesem Hintergrund am Ende bei den aktuell geringen Steuereinnahmen ausreichend Geld für die Abfederung der gravierenden Risiken in den Bezirkshaushalten?

Unser Vertrauen in diese schwarz-rote Koalition auf Landesebene, die sich nur einig ist, wenn es ums Sparen geht, ist sehr begrenzt und DIE LINKE. Reinickendorf lässt sich nicht in Mithaftung nehmen, für eine drohende Kürzungspolitik auf Bezirksebene, wenn der Senat die Bezirke z.B. bei den gestiegenen Energiekosten auch nur teilweise hängen lässt. Der Bezirkshaushalt ist dank des Vorgehens des Senats unterfinanziert, birgt zu viel Risiko mit Blick auf Baukosten, Energiekosten und Transfers, die nicht adäquat berücksichtigt sind. Aus unserer Sicht muss der Staat in Krisenzeiten mutig investieren und die Verwaltung und die soziale Infrastruktur stärken und nicht schwächen, aber dies ist unter den vom Senat vorgegebenen Rahmenbedingungen nicht möglich. Deshalb: Nein zum Bezirkshaushalt 2024/25!