Interview mit Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS)

PDS-Bezirkszeitungen

„Gewalt kommt nicht in die Tüte“ – mit dieser Aktion waren Sie kürzlich mehrfach in der Presse. Was kommt nach den Tüten?

Vielleicht Bierdeckel? Ich weiß es noch nicht. Die Aktion mit den Bäckertüten war eine pfiffige Idee der Gleichstellungsbeauftragten der Bezirke. Ich habe sie gerne unterstützt, weil so das Thema häusliche Gewalt enttabuisiert und im Alltag zur Diskussion gestellt wurde. Besonders freut mich, dass viele Unternehmen aus der Wirtschaft meinem Aufruf zum Sponsoring dieser Aktion gefolgt sind. Eine weitere Kampagne hat Chips für Einkaufswagen mit Anti-Gewalt-Slogans verteilt. Eins ist sicher: Bei der nächsten Aktion bin ich wieder dabei.

Ein heißes Thema bleibt Hartz IV. Wie kann eine Senatsverwaltung verhindern, dass reguläre Jobs in der freien Wirtschaft durch Ein-Euro-Jobs ersetzt werden – etwa in Putzjobs oder der Gastronomie? Gibt es da Kontrollmechanismen?

Die beste Kontrolle ist eine wache Öffentlichkeit. In harten Verhandlungen haben wir uns Anfang Dezember mit Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammer, Spitzenverbände der Wirtschaft, Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften auf eine gemeinsame Erklärung zu diesen Zusatzjobs geeinigt. Darin wird unmissverständlich klar gestellt, dass sie reguläre Beschäftigung nicht verdrängen dürfen. Darauf werden wir alle Unterzeichner hinweisen, falls es nötig ist. Wir werden jeder Missbrauchsmeldung nachgehen.

Der Senatsverwaltung ist es gelungen, auf Berlin-Ebene die One-Stop-Agency zu installieren. Was kann auf Bezirksebene getan werden, um für Investoren den „roten Teppich“ auszurollen?

Die Bezirke sind auf unsere Anregung dabei, ebenfalls einheitliche Anlaufstellen für Unternehmen zu schaffen. Unsere ZAK, die Zentrale Anlauf- und Koordinierungsstelle für Unternehmen, arbeitet täglich mit den Bezirksverwaltungen zusammen, um Verfahren zu koordinieren und zu beschleunigen.

Wieder einmal sind im Januar die Verbraucherpreise für Gas und Wasser gestiegen – unter Ihrem Vorsitz?

Die Gasag ist eine Aktiengesellschaft in Privatbesitz. Deren Geschäftspolitik kann ich nicht beeinflussen. Nur wenn sie ihre Marktstellung missbrauchen würde, könnte, die in meinem Haus angesiedelte Kartellbehörde einschreiten. Bei den Wasserbetrieben bin ich Aufsichtsratsvorsitzender. Aber auch hier gibt es private Mitgesellschafter, denen der CDU-SPD-Senat vor sechs Jahren bei der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe bestimmte Kalkulationsregelungen vertraglich zugesichert hat. Das wirkt preistreibend. Aus diesen Verträgen, gegen deren Abschluss ich damals protestiert habe, kommt das Land Berlin heute nicht mehr heraus. Dennoch gibt es noch Möglichkeiten, den Preisanstieg in der Zukunft zu dämpfen. Ich habe im Aufsichtsrat der Wasserbetriebe bereits angekündigt, dass das Land Berlin als Gesellschafter diese Möglichkeiten auch ausschöpfen wird.

Wie kommt es, dass ein PDS-Senator gleichzeitig in zehn Aufsichtsräten sitzt, wie die Presse berichtet?

Das frage ich mich manchmal selbst. Aber für die meisten landeseigenen Unternehmen ist in Berlin eben der Wirtschaftssenator zuständig. Das ist eine wichtige Kontrollfunktion und eine große Verantwortung. Denn die landeseigenen Unternehmen stellen trotz aller Probleme auch erhebliche Werte dar. Und die gehören allen Berlinerinnen und Berlinern. Ich übe auch in ihrem Namen die Kontrolle in den Aufsichtsräten aus. In den meisten Fällen ist das harte Sanierungsarbeit.

Wie kommt der Ausbildungspakt in Berlin voran? Gibt es noch viele Jugendliche ohne Ausbildungsplatz und wie kann diesen geholfen werden?

Die endgültige Bilanz liegt noch nicht vor. Aber ich bin optimistisch, dass im vergangenen Jahr alle Jugendlichen, die eine Ausbildung machen wollten und dafür qualifiziert waren, auch einen Platz bekommen haben. Während in ganz Deutschland die Zahl der neuen Ausbildungsplätze um etwa drei Prozent gestiegen ist, haben sich die Berliner Handwerksbetriebe und Unternehmen besonders ins Zeug gelegt und im vergangenen Jahr sogar 7,7 Prozent mehr neue Lehrstellen eingerichtet als 2003. Das muss man anerkennen. Und wir haben in Berlin schon ein halbes Jahr vor der Bundesregierung einen regionalen Ausbildungspakt hinbekommen, der auch Jugendlichen mit geringen Qualifikationen eine Chance gibt.

Ein anderer Brennpunkt: Auch in diesem Jahr konnten die EU-Mittel für die Infrastrukturhilfen nicht vollständig abgerufen werden, weil die Co-Finanzierung durch das Land nicht klappt. Gibt es da Gespräche auf EU-Ebene, wie die Berliner Wirtschaft trotzdem an diese Hilfen kommt, denn es handelt sich ja um einen Dauerzustand?

Die Kofinanzierung durch das Land ist nicht das Problem. Die Investitionszuschüsse wurden im vergangenen Jahr erneut nicht vollständig abgerufen, ganz einfach weil die Unternehmen zu wenig investierten. Dazu können wir sie nicht zwingen. Wir gehen jetzt dazu über, europäische Fördermittel in Fonds einzuspeisen, aus denen wiederum Darlehen und Beteiligungen finanziert werden. So verfallen die Mittel nicht. Hat das geförderte Unternehmen Erfolg und kann das Darlehen zurückzahlen, kommt das Geld erneut anderen Unternehmen zugute. Außerdem wird die Investitionsbank verstärkt Unternehmen finanzieren, die von Geschäftsbanken keine Förderkredite mehr bekommen, weil sich das für diese nicht lohnt. Dafür haben wir die Investitionsbank als selbständiges Geldinstitut aus der Landesbank herausgelöst.

Was ist die wichtigste Aufgabe für den PDS-Wirtschaftssenator in den nächsten Monaten?

Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, damit wieder mehr Arbeitsplätze entstehen. Es gibt positive Anzeichen dafür. Ich will auch daran arbeiten, dass die Wirtschaftsbeziehungen zu Polen enger werden und gemeinsam mit unseren Nachbarn in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Westpolen die Gründung einer europäischen Oderregion vorbereiten. Und ich werde die Wirtschaftsförderprogramme neu ordnen und strategisch so ausrichten, dass wir in Zukunft mit weniger Geld größere Effekte erzielen können.