Ein Ort des Widerstands

Wir in Reinickendorf • 11/2000

»Lange Enden!« Der gedehnte Ruf des Schaffners von der Heckplattform des »12er« Busses ins Wageninnere ist mir noch heute im Ohr.

Dort bin ich immer ausgestiegen. Und schließlich, 1980, mit weichen Knien zur Abiturprüfung gegangen.

In dem unscheinbaren Gebäude, schräg zur Hermsdorfer Straße in Wittenau stehend, war aber weitaus größere Angst zu Hause als die vor verpatzten Noten.

Errichtet Anfang der 30er Jahre als Verwaltungsgebäude der Maschinen- und Armaturenfabrik Alfred Teves, wurde es unter dem sozialdemokratisch eingestellten Betriebsleiter Karlein zu einem Ort des Widerstandes gegen das Naziregime. Flugblätter wurden verteilt, Geld gesammelt für die illegale Arbeit, auch um Familien Verhafteter über Wasser zu halten. Für die bei Teves eingesetzten jüdischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wurde der Schutz organisiert.

Als 1943 deren Deportation begann, brachte der Werkmeister und einstige Gewerkschafter Wilhelm Daene einige von ihnen in seiner Wohnung unter.

Es gab eine sozialdemokratische und eine kommunistische Betriebsgruppe des Widerstands. Letzere stand in Verbindung mit der überregional agierenden von Anton Saefkow. Trotz aller Vorsicht wurden über 20 Menschen verhaftet. Mit Ausnahme von Wilhelm Daene sämtliche kommunistischen Mitglieder. Einer von ihnen, Willi Jahn, überlebte bereits 1937 die Gestapo-Haft nicht. Sieben wurden 1944 vom »Volksgerichtshof « zum Tode verurteilt und hingerichtet:

Emil Nehring, Herbert Splanemann, Karl Fübinger, Otto Kroeger, Heinz Drzymalla, Wilhelm Schmidt, Paul Richter.

Eine Gedenktafel neben dem Schuleingang erinnert an die Ermordeten.

Christian Sperling