Eltern werden zu Bittstellern

Wir in Reinickendorf • 03/2001

Neues Verfahren ist bürokratisch und datenschutzrechtlich umstritten

Von Renate Herranen

Auch der 3. Entwurf für eine Rechtsverordnung zum Kitaanmeldeverfahren ist ein Skandal für einen sozialdemokratischen Senator. Nach den Plänen der Böger-Verwaltung soll der Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte für Kinder von drei bis sechs Jahren von bisher sieben auf fünf Stunden reduziert werden, wenn keine Berufstätigkeit bzw. ein besonderer Förderbedarf nachgewiesen wird. Kinder unter zwei Jahren und im Grundschulalter werden keinen Platz erhalten, wenn die Eltern ohne Arbeits- oder Ausbildungsplatz sind. Ausnahmen: Eltern, die nachweislich Arbeit suchen oder besondere pädagogische oder soziale Gründe angeben. Andere werden gezwungen, sich selbst beim Jugendamt ihrer Defizite bei der Erziehung zu bezichtigen. Auch würden dann alle Kinder von Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern, von Alleinerziehenden, die zu Hause sind, sowie von Nichtberufstätigen wie Hausfrauen von der Förderung und Bildung ausgeschlossen. Das trifft besonders die Kinder nichtdeutscher Herkunft. Ihnen wird praktisch das Erlernen der deutschen Sprache so gut wie unmöglich gemacht. Für alle gilt die Verkürzung der Anmeldefrist bis zum 28. Februar. Alle müssten umfangreiche, sehr persönliche Daten angeben, die das Jugendamt nichts angehen.

Kitas sind Bildungseinrichtungen und nicht Aufbewahranstalten. Sie sind der Ort, an dem das lebenslange Lernen beginnt. In der Kita machen die Kinder soziale Lern- und Demokratieerfahrungen. Neben der Verantwortung der Eltern gibt es auch die der Gesellschaft für die Entwicklungschancen der Kinder zu demokratischem Bewusstsein und tolerantem Verhalten. Mit dem Ausschluss von immer mehr Kindern werden die Reden von Integration der Menschen nichtdeutscher Herkunft und des Kampfes gegen die braune Gesinnung in den Köpfen junger Menschen zu hohlen Phrasen.

Das Bündnis für Kinder forderte den Senator Böger schon am 15. März 2000 auf, dieses Anmeldeverfahren zurückzuziehen. Ohne Erfolg: es soll im Betreuungsjahr 2002/2003 in Kraft treten. Das ist Haushaltskonsolidierung auf Kosten der Schwächsten, unserer Kinder.

Dem Bündnis für Kinder gehören denn auch neben den Gewerkschaften, den Elterausschüssen, den Wohlfahrtsverbänden die Parteien Bündnis 90/Die Grünen und die PDS an, aber nicht die SPD. Die »neue Mitte« hat wohl keine Kinder?