Zynismus

Wir in Reinickendorf • 08/2001

390.000 Bürgerinnen und Bürger in Reinickendorf, Wedding, Spandau und Pankow wohnen in der Einflugschneise zum Flughafen Tegel. Seit Jahren leben sie mit dem Fluglärm, in wachsendem Maße auch nachts, mit der Schadstoffemission, mit der Stresssituation und dem Sicherheitsrisiko. Denn manchmal stürzen auch Maschinen ab – so zuletzt im Anflug auf Tempelhof im dichtbesiedelten Neukölln.

Wer – wie die SPD in der BVV am 4. Juli – das Reinickendorfer Bezirksamt nach den politischen Konsequenzen daraus für Tegel fragt, erfährt von Stadtrat Wegner, jeder Flughafen berge Risiken. Die CDU-Fraktion setzte noch einen drauf: im Haushalt oder beim Sport gebe es »tausendmal mehr« Unfälle. Die SPD mache nur Panik. Die Möglichkeit eines Absturzes in Tegel sei abwegig, denn dort landeten keine Sportflugzeuge. (Was, erstens, nicht stimmt. Und zweitens, was ist mit den größeren? Sie merken es nicht einmal: ihr Zynismus ist grenzenlos.)

Was folgte, war Wahlkampf im Geiste des Landowsky-Ersatzes: Die neue Regierungspartei sorge mit ihrer »Schwesterpartei« dafür, dass die Reinickendorfer im Jahre 2002 ihren Urlaub in Leipzig buchen müssten. Kein Wunder, dass manche in der BVV sich daran erinnerten, dass die CDU – war es nun Herr Steffel oder Herr Schultze-Berndt – es den Reinickendorfern nicht zumuten wollte, im fernen Osten, sprich: Schönefeld abfliegen zu müssen. Der BVV-Besucher fühlte sich angesichts der hysterischen Reaktion der CDU-Fraktion in ein Tollhaus versetzt.

Ist es nicht pure Heuchelei, wenn die CDU trotzdem behauptet, sie sei für die Schließung von Tegel? Sind ihr die Menschen in ihren Hochburgen Hermsdorf, Frohnau, Heiligensee wichtiger als diejenigen, die in der Nähe des Kurt-Schumachers-Platzes wohnen? Die Wählerinnen und Wähler sollten nachfragen. Die PDS jedenfalls hat sich festgelegt: die innerstädtischen Flughäfen gehören geschlossen. Und: in Schönefeld einen Großflughafen zu etablieren, gehört ins Reich der Utopie. Ein internationales Luftkreuz dort bringt nur ein zweites Haushaltsloch á la Bankgesellschaft!

»Metropole« will Berlin sein. In London und Paris brauchen die Reisenden eine Stunde in die Stadt! Das entspräche etwa einem Großflughafen bei Stendal, mit Autobahn- und ICE-Anschluss. Und ist zudem für deutlich weniger Geld und genauso schnell zu haben wie angeblich Schönefeld.

Klaus Gloede / Robert Scholz