Krise in der PDS?

Wir in Reinickendorf • 06/2003

Vor dem außerordentlichen Parteitag:

Soziale und gerechte Politik ist gefragt

Diese Frage ist aus meiner Sicht erst einmal nur mit einem klaren „Ja“ zu beantworten. Aber eine Krise ist immer auch eine Chance, weil sie klar macht, dass man handeln muss. Um so mehr, wenn die Felder, auf denen Handlungsbedarf besteht, sich geradezu aufdrängen.

Bei einer Beurteilung dieser Krise kommt man nicht umhin, mit einer kritischen Betrachtung des Bundestagswahlkampfes 2002 zu beginnen und sich folgende Fragen zu stellen: Haben wir es in diesem Wahlkampf vermocht, den Menschen in unserem Land eigene politische Angebote aufzuzeigen? Aus meiner Sicht: „Nein“. Haben wir mit der Parole „Stoiber verhindern – Schröder wählen“ richtig argumentiert? Aus meiner Sicht: „Nein“. Haben wir damit nicht das Signal verbreitet, wir wären zwar die einzige linke Oppositionspartei, aber uns wäre jede Strategie recht, um Stoiber zu verhindern? Aus meiner Sicht: „Ja“.

Eine kritische Analyse sowie die Übernahme von Verantwortung für diese Wahlstrategie gab es bis heute nicht. Innerparteiliche Flügelkämpfe brachen wieder auf. Entsprechend war dann auch das Wahlergebnis und so genannte Reformer meldeten sich zu Wort. Das „Küchenkabinett“ drohte sogar mit Austritt aus der Partei.

Zeitgleich bereitete man sich aber auch schon auf den Bundesparteitag in Gera vor, der eine klare politische Richtungsänderung sowie die Demontage der Parteivorsitzenden Gabi Zimmer bringen sollte. Die Delegierten dieses Bundesparteitages ließen sich jedoch nicht so leicht ins Bockshorn jagen und Gabi Zimmer wurde mit großer Mehrheit wieder gewählt. Es wurden sogar endlich wieder Themen wie die innerparteiliche Basisdemokratie und pro und contra zu Regierungsbeteiligungen diskutiert. Der Begriff „Gestaltende Opposition“ wurde präzisiert. Meiner Meinung nach ging von diesem Parteitag so etwas wie ein Aufbruchsignal für eine demokratische und sozialistische Politik aus. Was dann jedoch dazu führte, dass die Genossinnen und Genossen, die mit den Entscheidungen und Beschlüssen von Gera nicht einverstanden waren, sich in die „Schmollecke“ zurückzogen und dann auch nicht mehr für den Parteivorstand kandidierten. Es wurde trotzdem ein Parteivorstand gewählt, der meines Erachtens gut zusammengesetzt war.

Die notwendige Ruhe zum inhaltlichen Arbeiten kehrte jedoch nicht ein und die gegenseitigen Beschimpfungen nahmen zu. Begriffe wie „linke Sektierer„ oder „SPD-Anhängsel“ machten die Runde, nicht nur innerparteilich. Man nutzte auch schon mal die Macht der Medien.

Ergebnis war unter Anderem dann auch, dass Ende April dem Parteivorstand durch den Brandenburger Landesvorsitzenden Ralf Christoffers politische Handlungsunfähigkeit vorgeworfen wurde. Christoffers verlangte die Einberufung einer außerordentlichen Tagung des Parteitages auf dem personelle Veränderungen innerhalb des Parteivorstandes durchgesetzt werden müssten. Hart ging dabei der Brandenburger Landesvorsitzende auch mit den so genannten Linken, dem Parteivize Diether Dehm sowie dem Bundesgeschäftsführer Uwe Hiksch, ins Gericht. Er warf ihnen vor, die Rückkehr in die politische Auseinandersetzung zu blockieren.

Anlass der Vorwürfe war die mit sieben gegen sechs Stimmen demokratisch getroffene Entscheidung des Parteivorstandes, in einer Sitzung über ein zur Debatte gestelltes Papier „Reformalternativen“ von Dieter Klein nicht zu sprechen, sondern dies erst Ende Mai zu tun. In dieser Entscheidung sah Ralf Christoffers die Absicht, sich nicht mit Politik beschäftigen zu wollen. Er muss sich aber die Frage gefallen lassen: Ging es ihm wirklich um politische Handlungsfähigkeit oder war sein Verhalten nur wieder ein erneuter Versuch, die dem linken Parteiflügel zugehörigen Hiksch und Dehm loszuwerden?

Aus diesem Grund eine außerordentliche Tagung des Parteitages einberufen zu wollen erscheint mir als ein Versuch, Diether Dehm und Uwe Hiksch als „Sündenböcke“ entfernen zu wollen. Das lehne ich ab. Die Hauptverantwortung für gravierende Mängel in der Arbeit des Parteivorstandes trägt zuerst die Parteivorsitzende, weshalb ich ihre Wiederwahl im Falle einer erneuten Kandidatur nicht unterstützt hätte. Auch glaube ich, dass diese Inszenierung einer Neuwahl ein Verstoß gegen innerparteiliche Demokratie ist und ein „zurück vor Gera“ zur Folge haben soll.

Den Berliner Weg, nämlich die Etablierung der Funktionärsdominanz über die Parteibasis, diesmal auf Bundesebene, lehne ich ausdrücklich ab.

Es ist nun auch für uns fünf vor zwölf, speziell vor dem Hintergrund des Sozialabbaus durch die Bundesregierung. Ich erwarte deshalb von dieser PDS, dass sie endlich aufhört, sich mit sich selbst zu beschäftigen, und das tut, wofür sie in Berlin auch gewählt wurde, nämlich eine soziale und gerechte Politik zu entwickeln und zu verfechten.

Klaus Rathmann,
Bezirksvorsitzender