Veränderung braucht uns

Wir in Reinickendorf • 11/2005

100-Tage-Programm der Bundestagsfraktion DIE LINKE

1. Weg mit Hartz IV - soziale Grundsicherung einführen

Wir lehnen die Grundlage der Hartz-IV-Gesetze ab: Arbeitslosigkeit ist kein individuelles Verschulden, sondern Gegenstand gesellschaftlicher Verantwortung. Deshalb wollen wir eine bedarfsorientierte soziale Grundsicherung einführen, mit der die Entwürdigung von Arbeitslosen beendet wird. Als einen ersten Schritt dahin werden wir einen Gesetzentwurf zur grundlegenden Änderung der Hartz-IV-Gesetze vorlegen: •

  • Anhebung des Arbeitslosengeldes II auf 420 Euro in Ost und West (zuzüglich Kosten der Wohnung) •
  • Höhere Freibeträge für Ersparnisse, vor allem zur Alterssicherung
  • •Ausschluss der Zumutbarkeit von untertariflich bezahlter Arbeit
  • •deutliche Verbesserung der Zuverdienstmöglichkeiten •
  • Aufhebung der Regelungen zu Bedarfsgemeinschaften •
  • Gewährung des Krankenversicherungsschutzes für alle •
  • Beendigung der Enteignung älterer Arbeitsloser durch Verlängerung der ALG-I-Bezugsdauer •
  • Beendigung der völligen Durchleuchtung der Betroffenen

Unsere längerfristige Alternative ist die Umwandlung der Ein-Euro-Jobs in reguläre, sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse durch Einsatz der Mittel des ALG II, der Kosten für Unterkunft, der sog. Mehraufwandsentschädigung sowie weiterer öffentlicher Finanzmittel.

2. Abzug der Bundeswehr von Auslandseinsätzen und der US-Atomwaffen aus Deutschland

Wir werden das Auslaufen der Mandate für die Operationen "Enduring Freedom" und "Active Endeavour" Mitte November zum Anlass nehmen, die Beendigung dieser Mandate und erneut den Abzug auch der unter ISAF-Mandat operierenden Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan zu fordern. Der KSK-Einsatz in Afghanistan ist sofort zu beenden. Auch eine Verlängerung der EU-Mission "Althea" in Bosnien-Herzegowina muss überprüft werden. Wir werden die Bundesregierung auffordern, den Abzug aller US-Atombomben aus Deutschland zu verlangen. Verbunden damit ist die Forderung nach einer Revision der NATO-Strategie von 1999, die die Option eines Einsatzes von Atomwaffen enthält, und die Aufgabe des völkerrechtswidrigen Konzepts der "nuklearen Teilhabe" der Bundeswehr.

3. Mindestlohn einführen

Unser Ziel ist die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 1400 Euro brutto für ein Vollzeitarbeitsverhältnis. Insbesondere die Geringqualifizierten in unteren Lohngruppen sollen erreicht werden. Arbeit muss existenzsichernd sein. Dazu werden wir mit Anhörungen und Gutachten zur Vorbereitung dieser Gesetzgebungsinitiativen beginnen. Gegebenenfalls werden wir Unterstützungen begehren, damit auch kleinere Unternehmen Mindestlöhne zahlen können.

4. Mehr direkte Demokratie - zivilgesellschaftliche Strukturen stärken

Wir werden die Volksgesetzgebung wieder auf die Tagesordnung des Bundestages bringen und dafür u.a. vorschlagen, dass in Zukunft in Verbindung mit Bundestagswahlen eine Abstimmung über Sachfragen erfolgt. Wir wollen dafür kämpfen, dass Programme des Bundes zur Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen fortgesetzt werden.

5. Beseitigung von Kinderarmut als ersten Schritt zur Sozialen Grundsicherung

Es ist ein Skandal, dass in unserem reichen Land über 1,7 Mio. Kinder in Armut leben. Deshalb werden wir als ersten Schritt hin zu einer bedarfsorientierten Grundsicherung vorschlagen, die Anrechnung des Kindergelds auf das ALG II und das Sozialgeld zu beenden.

6. Zukunftsinvestitionsprogramm für Deutschland - Fahrplan zur Angleichung der Lebensverhältnisse

Wir wollen ein Zukunftsinvestitionsprogramm im Haushalt des nächsten Jahres verankern. Die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a GG und die EU-Wirtschaftsfördermittel sollen auf Innovationsförderung und Förderung strukturschwacher Regionen ausgerichtet werden. Wir streben einen Fahrplan zur Gleichbehandlung an, ob bei der Rente, bei Löhnen oder Sozialleistungen. Als erstes werden wir neben der Angleichung der ALG-II-Sätze in Ost und West die Wiedereinsetzung des 2002 abgeschafften Parlamentsausschusses Neue Länder als Ausschuss Neue Länder und regionale Strukturpolitik beantragen.

7. Steuergerechtigkeit

Wir wollen ein einfaches und gerechtes Steuersystem. Als ersten Schritt erarbeiten wir einen Gesetzentwurf zur Erhebung einer reformierten Vermögens- und Erbschaftssteuer. Statt einer binnenkonjunkturfeindlichen Mehrwertsteuererhöhung legen wir einen Antrag auf Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 7% auch beim Handwerk und bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln vor.

8. Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe

Wir werden einen Gesetzentwurf zur Förderung der Berufsausbildung einbringen: 290.000 betriebliche Ausbildungsplätze fehlen. Alle Versprechungen von Rot-Grün verwehten im Winde. Wir sagen: Wer nicht ausbildet muss zahlen - wer ausbildet, muss unterstützt werden.

9. Bildung - gleicher Zugang, gleiche Qualitätsstandards für alle

Immer häufiger müssen Familien das Bundesland wechseln, um einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Das ist nur zu verantworten, wenn Kinder überall und unabhängig von der sozialen Herkunft gleichen Zugang haben und auf ähnliche Bedingungen im Bildungsbereich stoßen. Um Benachteiligungen zu verhindern, werden wir Initiativen zur Sicherung gleicher Qualitätsstandards für Bildung in ganz Deutschland, zur Bildungsfinanzierung und für die Sicherung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz ergreifen.

10. Initiative gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie

Die Europäische Kommission hat erneut beschlossen, an der Dienstleistungsrichtlinie festzuhalten. Der Bundestag hat am 30.6.2005 auf Antrag von Rot-Grün die Kommission aufgefordert, die Dienstleistungsrichtlinie zurückzunehmen und völlig zu überarbeiten. Wir werden umgehend eine parlamentarische Initiative in den Bundestag einbringen, mit der die Bundesregierung aufgefordert wird, gegen die Bolkestein-Richtlinie aktiv zu werden.