Am Rande

Wir in Reinickendorf • 12/2005

Singegefühle

Zum Abschluss, nach dem sie die Große Koalition mit der CDU abgesegnet und im Zusammenhang damit ein paar Personalfragen geklärt hatten, sangen sie traditionsgemäß das alte Arbeiterlied: „Wann wir schreiten Seit an Seit“. So stand es in den Berichten über den SPD-Parteitag.

Der Gedanke an die neuen Seitenschreiter wird wohl, ist zu vermuten, ganz neue Singegefühle ausgelöst haben. Und dabei war zu diesem Zeitpunkt nicht einmal abzusehen, wie nett sich die neue Kanzlerin bei dem alten Kanzler für seine Vorarbeit bedanken und dann sogar noch bei SPD-Übervater Willy Brandt eine Anleihe machen würde.

Mehr Demokratie wagen, hatte der als Parole ausgegeben, und Frau Merkel entwickelte dieses Wort nun weiter: Mehr Freiheit wolle sie wagen. Ist doch fast das gleiche?

Naja, nicht ganz. Demokratie verfolgt, wenn sie funktioniert, die Herstellung eines Interessenausgleichs; Freiheit kann in diesem Zusammenhang nur den Vorrang von partikularen Interessen bedeuten.

Bekanntlich endet der traditionelle SPD-Gesang mit der Liedzeile „mit uns zieht die neue Zeit“. Da weiß man doch, wohin sie Seit an Seit zieht, die neue Zeit.

Jochen Eser

Ein Schelm...

Vom Werden der Großen Koalition plauderte Vizekanzler Franz Müntefering gegenüber der „Zeit“ (49/2005):“ Frau Merkel und ich hatten den Vorteil, dass unsere beiden Büros übereinander lagen, ich war in der vierten, sie war in der fünften Etage. Die beiden sind über eine Treppe verbunden, es sah also keiner, wenn wir uns besprochen haben.“

Ein Schelm, wer Arges dabei denkt. Und es ginge ihn auch gar nichts an. Außerdem handelte es sich um viel Ärgeres.

Sr.