Ohne Arbeitsplätze ist alles nichts
Wir in Reinickendorf • 04/2006
Vor dem Jobcenter gefragt: Wie steht es mit dem Fördern?
Seit 15 Monaten wird seitens der umstrukturierten Bundesanstalt für Arbeit an Millionen von Erwerbslosen nun das Hartzprinzip „Fordern und Fördern“ geübt. Das „Fordern“ klappt wohl vorzüglich,das „Fördern“ bleibt weitgehend unterbelichtet. Dass fast alle neu entwickelten und vielgepriesenen Instrumente der Arbeitsvermittlung bisher so gut wie keine Wirkung zeigen, wurde kürzlich durch namhafte Wirtschaftsinstitute belegt. Neue, zusätzliche Arbeitsplätze, die so bezahlt werden, dass man vom Lohn auch leben kann? Fehlanzeige. „Herr Hartz, setzen, sechs!“
Wie die Dinge aneinander vorbei laufen, zeigt auch die Tatsache, dass laut Sozialstadtrat Balzer (CDU), allein in Reinickendorf für 2 000 Ein- Euro-Jobs Geld vorhanden sei, jede mit 500 Euro Förderung versehen - aber eben viel weniger Stellen.
Die Stimmung vor dem Job-Center in der Miraustraße ist entsprechend. Das eigentliche Problem wird immer wieder benannt: „Wie Arbeit finden, wenn es keine gibt?“
So berichtet Christine Schulz (41): „Das Prinzip Fordern und Fördern ist eine Farce. Viele Entscheidungen der Sachbearbeiter sind willkürlich. Ich warte jedes Mal zwei bis drei Stunden, um dann immer wieder anderen Ansprechpartnern alte Fragen aufs Neue zu beantworten. Jobangebote in Krankheitsphasen ist dann der Gipfel der Frechheit.“
Auch Andere offenbaren uns ihr persönliches Leid: Eine Aufstockung des Personals wird gefordert, die Vermittlungskompetenzen werden stark angezweifelt. Die Verwaltungssprache der Mitarbeiter schafft Verständigungsprobleme. Man „fühle sich wie ein Stück Dreck“. „Die Ein-Euro-Jobs sind nichts weiter als Ausbeutung. Nach dem Ende der Eingliederung verbessert sich die Situation des Langzeitarbeitslosen nicht.“ Der Einsatz von „Sozialexperten“ würde allerdings manches Problem lösen, denn: „Ich wünsche mir von den Job-Centern mehr Freundlichkeit, Humanität und Fachkunde sowie einen fixen Sachbearbeiter“.
Es wird grundsätzliche Kritik geübt: Es gäbe derzeit nur das „Fordern“, Hartz IV und die Job-Center müssten weg, die Arbeit der Sozialämter wäre sogar qualitativ besser gewesen. „Ich finde es unerträglich, dass die Überlastung der Job-Center einerseits und die Belastung des Leistungsempfängers andererseits die deutsche Sozialpolitik ausmachen.“
Soweit die O-Töne.
Nennen wir’s beim Namen: Die neoliberale Antwort der herrschenden Politik auf zunehmende Erwerbslosigkeit ist gescheitert. Die Privatisierung von Lebensrisiken, Kürzung der Erwerbslosenunterstützung, der Renten und Krankenkosten treiben immer mehr Menschen in die Armut. Das staatlich organisierte soziale System in Deutschland wird zugunsten privater Anbieter aufgelöst.
Andere Lösungen braucht das Land. Unter anderen der Vorschlag der Linkspartei.PDS, mit Mitteln der Finanzierung von Erwerbslosigkeit reguläre, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze im Non-Profit-Bereich zu schaffen.
Horst Jusch
In Reinickendorf waren im Dezember 2005 insgesamt 18.700 Menschen erwerbslos gemeldet, davon 14.300 als Empfänger von Arbeitslosengeld II. Bezieht man die Angehörigen mit ein, gab es 26.200 Hilfsbedürftige nach dem Hartz IV-Gesetz im Bezirk.
5.500 Leistungsempfänger waren unter 25 Jahre alt