Was Eltern, Schule und Polizei nicht schaffen...
Wir in Reinickendorf • 06/2006
Ein-Euro-Jobber sollen Schulverweigerer „an die Hand nehmen“
Die BVV Reinickendorf nahm am 10.5.2006 bei einer Gegenstimme folgenden CDU-Antrag an: Dem Bezirksamt wird empfohlen, bei geeigneten freien Trägern anzuregen, dass im Rahmen von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung Schulbegleiter für Schulschwänzer eingesetzt werden. Das Konzept des Trägers ist dem Schulausschuss vor Antragstellung vorzustellen (Drs.-Nr. 1358/XVII).
In der Debatte betonte der Vorsitzende des Ausschusses (SPD), jede Lösung sei willkommen, die helfen könne, das Problem zu bewältigen. Seitens der FDP-Fraktion wurde angezweifelt, ob auf diesem Weg, wie das Konzept der Ein-Euro-Jobs doch anstrebe, neue Arbeitsplätze entstehen könnten. Die Einzelverordnete Renate Herranen fragte, was Kinder und Bildung der Politik wert seien, wenn solche jämmerlichen Schritte notwendig seien? SPD-Fraktionsvorsitzender Höhne rief dazwischen, woher denn das Geld kommen solle.
Der Schulausschuss hatte zuvor in zwei Sitzungen das Für und Wider beraten. Vertreter des Bildungsträgers Euro Train stellten ein erstes Konzept vor. Danach sollen nur staatlich anerkannte Pädagogen und nur zwei bis drei Schulwegbegleiter pro Schule für sechs Stunden täglich mit Zustimmung der Eltern eingesetzt werden. Sie sollen die Schüler nicht nur in die Schule begleiten, sondern auch in der Freizeit verfügbar sein, z. B. Förderunterricht organisieren. Das Hauptproblem seien die auf neun Monate befristeten Verträge, was kaum erlaube, ein Vertrauensverhältnis zu den Schülern und Eltern herzustellen. Eine mögliche Festanstellung der MAE-Kräfte sei vom Bildungsträger abhängig.
Differenzierte Gründe
Bildungsstadtrat Ewers (CDU) hatte der BVV im Februar ausführlich über die Situation im Bezirk berichtet. Die „Schulschwänzer-Quote“ schwankt im laufenden Schuljahr bisher zwischen 0,17 und 0,28 Prozent. Anfang des Jahres gab es 27 Schulverweigerer, zumeist in Hauptund Grundschulen, fast nicht in Gymnasien, regional auf das Märkische Viertel, Tegel-Süd, Wittenau und Hermsdorf beschränkt. Als Ursachen werden familiäre, soziale, aber auch melderechtliche Gründe genannt. Der Bericht kommt zu dem Schluss: „Die zwangsweise Zuführung ist aber schulrechtlich auf die Fälle zu beschränken, in denen andere, insbesondere pädagogische Mittel der Einwirkung auf die Schulverweigerer (oder Erziehungsberechtigten) ohne Erfolg geblieben oder nicht erfolgversprechend sind. Sie ist die Ultima Ratio... Bei der polizeilichen Zuführung als Anwendung unmittelbaren Zwanges ist zu bedenken, dass immer die Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist und zwischen dem erstrebten Zweck - ein regelmäßiger Schulbesuch - und der Eingriff in die Individualrechte des Betroffenen abzuwägen ist.“
R. Irmscher / K. Gloede