Heiligensee wird 700 – DIE LINKE gratuliert!

Wir in Reinickendorf • 07/2008

Gedanken zu den Feierlichkeiten von Robert Irmscher

700 Jahre sind nun vergangen seit der ersten urkundlichen Erwähnung des Örtchens „Hyelegense“. Der Dorfpfarrer bezeugte damals den Verkauf einer Wiese an das Spandauer Benediktinerkloster.

Ich lebe im Vergleich zu den 700 Jahren Heiligensee erst kurz hier, habe das Leben hier aber schätzen gelernt. Hier hat man das Leben wie auf einem Dorf, kombiniert mit einer durchgängigen S-Bahn-Verbindung in die Metropole Berlin. Das Skurrile des Dorflebens einbegriffen, z.B. der Rentner, der morgens die Zeitung aus dem Briefkasten holt, im Morgenmantel, aber mit Hut.

Was macht das Dorf Heiligensee aus? Der Treffpunkt der Dorfjugend vor der Tankstelle Am Dachsbau? Oder der Bekassinenweg, womöglich Berlins schlechteste Straße? Wahrscheinlich das und viel mehr. Insgesamt ist es ein Dorf wie viele andere, überall auf der Welt, und doch etwas Besonderes.

Neben dem Bewahren ...

Ich lebe nun seit bald 12 Jahren hier und entdecke immer wieder Neues. Nicht auf der Straße, da bleibt alles mehr oder weniger gleich. Denn das Heiligenseer Gemüt ist sehr schwer in Wallung zu bringen, aber wenn der „Heiligenseer an sich“ etwas nicht leiden kann, dann ist es Veränderung. In der Heiligenseestraße zieren immer noch einige Briefkästen die Aufkleber „Rettet die Felder“. Damit wandte man sich vor einigen Jahren gegen deren Bebauung. Nun, es ist nichts passiert. Die Felder sind erhalten geblieben, die Bonner Beamten, die dort hinziehen sollten, sind woanders. Das Heiligenseer Gemüt hat sich wieder beruhigt.

Wie der Heiligenseer auf das Wasser im Keller infolge mangelhafter Pflege des Grabensystemes oder die sinnlos anmutende Entfernung von Grün überall im Dorf reagiert, wird sich zeigen. Einen Aufkleber am Briefkasten ist das allemal wert.

... aber auch Widerstand



Neues entdeckte ich in einem älteren Werk zur historischen Stadterkundung, Schwerpunkt Widerstand gegen die Nazidikatur. Dort fand ich Hinweise darauf, dass es diesen Widerstand auch hier, im kleinen wie im großen, gab. So war das Haus des Dr. Max Klesse am Hirschwechsel 34, Ecke Reiherallee der Treffpunkt einer bedeutendsten Berliner Widerstandgruppen, der Gruppe Mannhart. Diese verteilten u.a. Flugblätter gegen die faschistische Barbarei an die Arbeiter in den Borsigwerken. Und dies in meiner unmittelbaren Nachbarschaft. Wir haben uns nur um 60 Jahre verpasst. Ich finde, das sollte auch eine Stelle bei den Feierlichkeiten zu 700 Jahren erhalten, genauso wie der erste Dorfpfarrer, die freiwillige Feuerwehr, die Sage vom „versunkenen Schloss“ im heiligen See. Oder auch „Rettet die Felder“und die Initiative gegen den Ausbau der Schulzendofer Straße.

All das ist ein Teil Heiligenseer Geschichte. Viel mehr Menschen hier sollten sich für diese Dorf engagieren, die Besonderheiten den Menschen näherbringen. Wer kennt denn den etwas veralteten Meilenstein „II Meilen bis Berlin“ an der Ruppiner Chaussee“? Von den Menschen, die hier wohnen, wahrscheinlich nicht viele.

Also: Lasst uns diese 700 Jahr Feier nutzen, um uns der Geschichte unseres Dorfes besser bewusst zu werden. Auf die nächsten 700 Jahre!