Am Rande

Wir in Reinickendorf • 12/2009

Ihr da drinnen, wir hier draußen

Die „drinnen“ reden von „denen da draußen“, von „unseren“ Wählern, die man „mitnehmen“ muss und denen man allzu oft die Entscheidungen von „drinnen“ nicht „verständlich vermitteln“ kann.

Die da draußen, das sind wir, Wählerinnen und Wähler, die regelmäßig ihre Stimme „abgeben“. Abgeben für (oder an?) die „drinnen“, Volksvertreter in Parlamenten, den Landtagen und Rathäusern.

Sprache ist verräterisch. Die Wortwahl beschreibt den gegenwärtigen Zustand unserer Demokratie, entlarvt das entfremdete Verhältnis zwischen dem Volk, dem Demos, den im Wortsinn Herrschenden, und seinen gewählten „Vertretern“.

Zu oft wird geflosskelt, man müsse das Wahlvolk „mitnehmen“, politische oder administrative Entscheidungen nur „besser vermitteln“. Entscheidungen, die in der Regel unter Ausschluss derer getroffen werden, die sie betreffen. Zu oft gegen den erklärten Willen. Eine Verkehrung dessen, was „Demokratie“ im Kern kennzeichnet, nämlich die „Herrschaft des Volkes“.

Die Parteien, in denen die „Vertreter“ des Volkes meist organisiert sind, sollen, so das Ansinnen der Mütter und Väter unserer Verfassung, an der politischen Willensbildung „mitwirken“. In der Realität bekommen wir draußen viel zu oft nur unmoralische Angebote von denen, die „die Kraft“ haben, die immer da sind, „wo vorn ist“, die „mehr zu bieten“ haben. Werbeslogans und leere Worthülsen statt konkreter politischer Aussagen – kein Respekt, keine Demut mehr vor dem Demos, dem Souverän.

Viele von uns hier draußen reagieren schon – geben ihre Stimme nicht mehr ab: „Nicht mehr in unserem Namen.“ Wen wundert’s?

Jürgen Schimrock