„Die Situation ist unzumutbar“

Wir in Reinickendorf • 12/2014

Der Öffentliche Dienst muss wieder wachsen

Stundenlang anstehen für den Personalausweis, selbst vor den Wartemarkenautomaten bilden sich lange Schlangen. Mittlerweile ein alltägliches Bild in Berlin. Warum ist das so?

Mehr Menschen - mehr Aufgaben

Berlin ist eine wachsende Stadt. Nach Schätzungen wird es bis 2020 ca. 250.000 Neuberliner geben – das entspricht einem ganzen zusätzlichen Bezirk. Gleichzeitig sollen bis 2016 1.450 Stellen in den Bezirken abgebaut werden. Das entspricht einer kompletten Bezirksverwaltung. Reinickendorf hat voreilig schon mehr Stellen abgebaut, als es die Zielvereinbarung mit dem Senat bis heute vorsah.

Personalabbau hat negative Folgen

Dass dies nicht ohne Verschlechterungen für die Bürgerinnen und Bürger passieren kann, ist klar. Dabei hatten sowohl das Bezirksamt als auch die in der BVV vertretenen Fraktionen versprochen , man werde „kreative Lösungen“ finden, damit der Personalabbau ohne Einschränkungen für die Bürger vonstattengehe. Das hat nicht funktioniert, wie Stadtrat Brockhausen (SPD) im Sommer dieses Jahres einräumte: Die Situation für die Bürger sei „unzumutbar“. Stimmt - und nicht nur für diese. Auch auf der anderen Seite des Schalters sitzen Menschen, die unter dieser Situation leiden.

Kein weiter so...

Dass es nicht so weitergehen kann, erklärt nun auch der „Rat der Bürgermeister“. Dieser fordert den Senat auf, von den Zielvorgaben zur Personaleinsparung Abstand zu nehmen und den Mehrbedarf in Höhe von 1.200 Stellen dauerhaft zu finanzieren. Aber reicht das wirklich aus?

Bis zum Jahr 2025 wird die Hälfte der Beschäftigten im Berliner Öffentlichen Dienst aus Altersgründen ausscheiden, d. h. es müssten eigentlich pro Jahr 5.000 Stellen neu besetzt werden!

Berlin ist ein unattraktiver Chef

Dies wäre jedoch selbst bei vorhandenem politischen Willen nicht so einfach. Der vielbeschworene Fachkräftemangel betrifft nämlich vor allem die Verwaltungs-, Sozial- und Ingenieurberufe, die auch im Öffentlichen Dienst dringend benötigt werden. Dieser befindet sich dabei im Wettbewerb mit privaten Arbeitgebern, aber auch mit anderen Bundesländern. Und die Stadt hat dabei ein ernstes Handicap: Hier wird immer noch weniger bezahlt als anderswo; durch den starken Personalabbau verdichtet sich die Arbeitslast für die Beschäftigten immer mehr. Der Stress nimmt zu. Es darf, es kann nicht so weiter gehen!

DIE LINKE bietet Alternativen an

Was schlägt die Berliner LINKE vor? Auf ihrem Parteitag am 8./9. November hat sie ein Konzept „Gute Arbeit - gutes Leben in Berlin“ beschlossen. Darin fordert sie erstens, dass die Zielvereinbarungen aufgehoben werden. Es kann nicht sein, dass an der Zahl von 100.000 Beschäftigten im Öffentlichen Dienst, unabhängig von der weiteren Bevölkerungsentwicklung, festgehalten wird. Mit einer wachsenden Stadt sind wachsende Aufgaben verbunden, und an diesen muss sich der Personalbedarf messen, nicht an willkürlich gesetzten Zielvorgaben.

Zweitens darf die Personalpolitik nicht länger unter der Knute eines Finanzsenators verkümmern, sondern sollte unter Leitung eines Personalstaatssekretärs beim Regierenden Bürgermeister gebündelt werden. Denn nur so werden strategische Entscheidungen ohne einseitige Fokussierung auf Einsparungen möglich.

Drittens muss der Öffentliche Dienst ein attraktiverer Arbeitgeber werden. Dazu gehört natürlich eine wertschätzende und nachhaltige Tarif- und Besoldungsstruktur, aber auch die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Berlin hat bei seiner Personalpolitik zu lange einseitig auf das Sparen gesetzt. Ein Kurswechsel im Interesse der Bürger, aber auch der Beschäftigten ist überfällig.

Auch wir Reinickendorfer würden davon profitieren.

Robert Irmscher