Gespräche, worüber denn!?

„mittendrin“, Februar 2015

Wir erleben zurzeit ein eigenartiges Phänomen. In den Städten der Republik, wo der Anteil von Muslimen und Muslima und Menschen mit Migrationshintergrund im Promille-Bereich liegt, gehen zehntausende Menschen gegen die „Islamisierung und Überfremdung“ auf die Straßen. Kurios ist dabei, dass der –jetzt zurückgetretene- Anführer dieser Bewegung, der straffällig gewordene Migrant/innen ausweisen will, selber vorbestraft ist und sich seinerzeit dem Strafvollzug durch die Flucht nach Südafrika entzogen hatte. 

Wie diffus die Teilnehmenden dieser Demonstrationen denken, zeigt ein mitgeführtes Plakat: „Ich will kein Nordirland, deshalb stoppt den Islam in Europa.“ Ich ging immer davon aus, dass in Nordirland militante Christen aufeinander losgegangen sind.

Es ist bekannt, dass die Erwartungen der Menschen aus den neuen Bundesländern im Zuge der Wiedervereinigung nicht erfüllt wurden und viele in sozialer Armut leben. Allerdings kann dies keine Begründung für Sündenbocksuche und Rassismus sein. Zumal erste Untersuchungen verdeutlichen, dass ein Großteil der Demonstrierenden der Mittelschicht angehört. Meiner Ansicht nach haben wir es hier nicht mit einem „sozialen Protest“ zu tun, sondern mit dem „Rassismus der Mitte.“ Insofern kann ich auch kein Verständnis für die Ängste der "besorgten Bürger" entwickeln und halte Gesprächsangebote für ein falsches Signal.

Allerdings hat diese Bewegung einen „dialektisch positiven“ Effekt erzeugt. Sie hat überall in der Republik massenweise Gegenbewegungen und Solidaritätsbekundungen mit Flüchtlingen und Asylsuchenden erzeugt.

Wir haben hierzulande keineswegs zu viele Flüchtlinge, wie von Flüchtlingsgegnern häufig suggeriert wird. Vielmehr besteht in diesem Bereich ein organisatorisches und politisches Unvermögen der politisch Verantwortlichen, angemessene politische Konzepte zur Unterbringung und Teilhabe der Flüchtlinge zu entwickeln. Unsere Stadt hat genug Ressourcen, um Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen und zu versorgen. Viele Menschen in der Stadt sind auch bereit, in diesem Bereich mitzuwirken, wenn sie frühzeitig eingebunden werden. Ob der Berliner Senat bereit ist, hier neue Wege zu gehen, wird sich zeigen. Die Tatsache, dass er die Vereinbarung mit den „O-Platz-Flüchtlingen“ zuerst hochgelobt und später nicht eingehalten hat, deutet darauf hin, dass wir es auch in Zukunft mit einem Senat zu tun haben werden, der die Flüchtlinge als Problem statt Chance betrachtet. Ich hoffe jedoch, dass die kontinuierlich erstarkenden Solidaritätsbewegungen den Druck auf die politisch Verantwortlichen erhöhen und somit zu einem Umdenken in der Flüchtlingspolitik beitragen.

Hakan Taş (MdA),
 Sprecher der Linksfraktion für Inneres, Partizipation und Flüchtlinge