Ein besonderes Theatererlebnis

Wir in Reinickendorf • 07-08/2015

in der Grundschule in den Rollbergen

Wer bislang bezweifelte, ob man noch jüngere, d.h. Kinder unter 10 Jahren, für Probleme und Nöte Erwachsener interessieren kann, wurde am Abend des sehr warmen 2. Julitages eines Besseren belehrt. Die Klasse B3 an der Grundschule in den Rollbergen führte vor, wie wunderbar so etwas gelingen kann. Etwa drei Monate lang hatten sich die Schülerinnen und Schüler mit ihrer Lehrerin, Frau Garling, in einem Projekt „Obdachlosigkeit“ mit dem Leben und der Situation von Menschen befasst, die oft leichtfertig und vorschnell als „Penner“ bezeichnet und abgewertet werden. Sie haben im Kinderbuch “Ein mittelschönes Leben“ von Kirsten Boie darüber gelesen und trafen schließlich auch mit Obdachlosen zusammen. Sie sprachen mit ihnen und hörten, wodurch bzw. warum ein Mensch in eine so missliche und aussichtslos erscheinende Lage geraten kann. So reifte die Überlegung, ein Lehrstück zu entwickeln, das den Weg eines ganz normalen Jungen zu einem interesselosen, sich nur noch der „Bierpulle“ widmenden und schließlich verlassenen Mannes schildert. Als Ergebnis stellten sie ihre Theaterauf-führung „Ein mittelschönes Leben“ vor.

An jenem Donnerstagabend bereits zum zweiten Mal aufgeführt, denn als sie Anfang Mai zum ersten Mal ihr Stück zeigten, erwies sich die Aula als zu klein. Nicht alle fanden Platz. Das verlangte nach Wiederholung. Auch am Donnerstagabend war es noch nicht die letzte Vorstellung, denn am 8. Juli spielt die Klasse B3 noch einmal und diesmal für Obdachlose in der Bahnhofsmission.

Die hervorragend schauspielernden 19 Kinder schlüpften in die Rollen des sich zum scheiternden Manne wandelnden Knaben, in die eines durch die Handlung führenden Erzählers und in viele weitere Rollen von Personen, die entscheidend in das Leben des Mannes eingreifen. Eine mit einfachen Mitteln gestaltete Bühne konnte Atmosphäre vermitteln: Ein Bett, ein paar Stühle und ein Tisch, auf dem ein leerer Bilderrahmen als Fernseher dient. Einleitend eine Tafel und eine Weltkarte, ein Klassenzimmer andeutend, in dem der aufgeweckte Junge seinen Fleiß und sein Interesse vorführte. Weitere Episoden, die vom Erzähler und einer vor der Bühne hin und her schreitenden Balanciergruppe eingeleitet wurden, berichten von erfolgreich abgeschlossener Lehre, von Arbeit, Hochzeit und Familienglück und dem jähen Ende seines erfüllten Lebens durch den plötzlichen, nicht vorhersehbaren Verlust seiner Arbeit. Er versinkt in Interesselosigkeit und schließlich ist nur noch die Bierflasche sein unverzichtbarer Begleiter. Frau und Kinder verlassen ihn und es braucht nicht lange, bis er auch noch die Wohnung verliert.

Doch nicht hilflos und resignierend sollten die Zuschauer entlassen werden, nein. Die Kinder beendeten ihre Aufführung mit der Bitte an die Gäste, sich ihrer Hilfe für die Obdachlosen anzuschließen.

Und ich bin sicher, dass die Kinder nicht nur hierbei Erfolg haben werden, zumal, wenn sie die im Eingang ihrer Schule angebrachten Schulregeln zur Maxime ihres Handelns machen. Wenn aus den dort untereinander geschriebenen Umgangs- und Verhaltensnormen jeweils ein Buchstabe besonders hervorgehoben wird, liest sich das Wort Schulregeln auch gleich viel freundlicher:

 F A I R N E S S

 E H R L I C H K E I T

 H Ö F L I C H K E I T

 M U T

 F L E I S S

 H I L F S B E R E I T S C H A F T

 A U F M E R K S A M K E I T

 S O R G S A M K E I T

 R E S P E K T

 P Ü N K T LI C H K E I T

 O R D N U N G

Abschließend danke ich der Lehrerin und den sehr kreativen Schülerinnen und Schülern sehr herzlich für den erlebnisreichen Abend!
Und nicht zu vergessen: Dankeschön den Steinberg-Siedlern, die mich auf dieses besondere Theaterereignis aufmerksam gemacht hatten. Vielen, vielen Dank!
Die Kinder waren am 9. Juli zu Gast in der Siedlung am Steinberg.

LiLo Joseph

Lilo Joseph
Lilo Joseph
Lilo Joseph
Lilo Joseph